Die Nachricht, die aus Essen kam, ließ mich erschaudern. Ein 49-jähriger obdachloser Mann ist dort nur knapp einem Brandanschlag entgangen. Unbekannte zündeten gestern früh gegen 4 Uhr sein Hab und Gut an, während er unter einer Brücke am Hauptbahnhof schlief. Nur durch Zufall wachte er auf, als die Flammen bereits an seiner Kleidung leckten.
Der Mann konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen und erlitt glücklicherweise nur leichte Verletzungen durch Rauchgasvergiftung. Die Polizei Essen hat eine Mordkommission eingerichtet – der Verdacht: versuchter Mord. «Ein gezielter Angriff auf die Schwächsten unserer Gesellschaft ist durch nichts zu rechtfertigen«, erklärte mir Polizeisprecher Matthias Klein.
Besonders bestürzend: Es ist nicht der erste Fall dieser Art. In deutschen Städten kommt es immer wieder zu Gewalt gegen wohnungslose Menschen. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe wurden allein im vergangenen Jahr bundesweit über 500 Gewalttaten gegen Obdachlose registriert. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Die Essener Obdachloseninitiative «Gemeinsam Warm» hat inzwischen Notunterkünfte für obdachlose Menschen in der Umgebung organisiert. Als ich die Brücke heute besuchte, waren dort noch Reste der verkohlten Schlafsachen zu sehen. Eine Szene, die ich in meinen fast zwanzig Jahren als Journalistin noch immer nicht mit Gleichgültigkeit betrachten kann.
Die Ermittler suchen nun dringend nach Zeugen, die zwischen 3:30 und 4:30 Uhr am Essener Hauptbahnhof etwas Verdächtiges beobachtet haben. Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf einen gesellschaftlichen Missstand: Wie gehen wir mit den Verletzlichsten um? Und was sagt es über uns aus, wenn Menschen auf der Straße nicht einmal im Schlaf sicher sind?