Als eine der wenigen Landeshauptstädte Deutschlands steht Potsdam plötzlich ohne Oberbürgermeister da. Am Sonntag stimmten 68,8 Prozent der Wähler für die Abwahl von Mike Schubert (SPD). Damit wurde erstmals in Brandenburg ein Oberbürgermeister per Bürgerentscheid abgewählt. Mehr als 35.000 Potsdamerinnen und Potsdamer sprachen sich gegen den Amtsinhaber aus – deutlich mehr, als das erforderliche Quorum von 30 Prozent der Wahlberechtigten.
Die Stimmung am Wahlabend im Stadthaus war bedrückt, aber nicht überraschend. Bereits seit Monaten hatte sich die Unzufriedenheit mit Schuberts Amtsführung zugespitzt. «Das ist ein klares Signal der Bürgerinnen und Bürger», erklärte Baudezernent Bernd Rubelt, der nun vorübergehend die Amtsgeschäfte übernimmt. Hauptkritikpunkte waren die Haushaltsprobleme der Stadt und ein Führungsstil, der viele Rathaus-Mitarbeiter verärgerte.
Lutz Boede, einer der Initiatoren des Abwahlverfahrens, zeigte sich erleichtert: «Alles ist sehr anständig abgelaufen. Jetzt können wir den demokratischen Neustart wagen.» Die Stadtverordneten hatten bereits im März mit großer Mehrheit für das Abwahlverfahren gestimmt – ein bemerkenswerter Vorgang, da viele von Schuberts eigener Partei kamen.
Als ich gestern durch die Brandenburger Straße lief, spürte ich die Erleichterung bei vielen Geschäftsleuten. «Endlich ein Neuanfang», sagte mir eine Boutique-Besitzerin, die anonym bleiben wollte. «Die letzten zwei Jahre fühlte sich niemand mehr für unsere Probleme zuständig.»
Binnen 90 Tagen muss nun ein neuer Oberbürgermeister gewählt werden. Mehrere Kandidaten haben bereits Interesse signalisiert. Die Herausforderungen für Potsdams Zukunft bleiben immens: Wohnungsnot, Infrastrukturprobleme und ein defizitärer Haushalt warten auf Lösungen. Der Abwahlprozess hat jedoch gezeigt, dass demokratische Kontrolle funktioniert – auch in einer Stadt, die für ihre harmonische Schönheit bekannt ist.