Die Antikmeile in der Berliner Suarezstraße kämpft mit Gegensätzen. An sonnigen Wochenenden herrscht hier reger Betrieb – Kunstliebhaber und Neugierige schlendern von Geschäft zu Geschäft. Doch hinter den Ladenfronten mit Jugendstilmöbeln, Kronleuchtern und Porzellan kämpfen Händler mit existenziellen Sorgen. Nach Schätzungen des Berliner Antiquitätenverbands mussten in den letzten fünf Jahren fast 40 Prozent der Geschäfte schließen.
«Wir spüren einen Wandel, der unsere Branche grundlegend verändert», sagt Marion Keller, die seit 22 Jahren ihr Geschäft in der Suarezstraße führt. «Die junge Generation interessiert sich kaum noch für Antiquitäten. Sie wollen modern und minimalistisch wohnen.» Gleichzeitig steigen die Mieten. Für viele Händler eine unhaltbare Kombination.
Die Geschäfte, die überleben, setzen auf neue Strategien. Einige spezialisieren sich auf besonders rare Stücke, andere ergänzen ihr Sortiment mit modernem Vintage-Design, das bei jüngeren Kunden besser ankommt. «Man muss flexibel sein», erklärt Keller, während sie eine Holzkommode aus der Gründerzeit poliert.
Was mich bei meinen Besuchen immer wieder beeindruckt: Das Fachwissen der Händler ist enorm. Zu jedem Stück gibt es eine Geschichte, jede Macke hat einen Namen. Diese Expertise findet man bei keinem Online-Händler. Und doch wandert das Geschäft zunehmend ins Internet.
Die Coronakrise hat diese Entwicklung beschleunigt. Mehr zum aktuellen Branchentrend bietet der Bundesverband Deutscher Antiquitäten- und Kunsthändler.
Für den Kiez ist die Antikmeile identitätsstiftend, für Berlin ein kulturelles Erbe. Ob sie überleben wird, hängt davon ab, ob es gelingt, junge Menschen für das Alte zu begeistern. Vielleicht braucht es ein Umdenken – weg vom reinen Konsum, hin zur Wertschätzung für Handwerk und Geschichte. Denn was wäre Berlin ohne seine liebenswerten Ecken mit Geschichte?