Die Schattenseite der Hilfsbereitschaft zeigt sich im Fall von 47 Geflüchteten, die in einer Berliner Großbäckerei unter unwürdigen Bedingungen arbeiten mussten. 55 Stunden pro Woche für kaum mehr als fünf Euro Stundenlohn, untergebracht in Mehrbettzimmern mit Gemeinschaftsbad – ein Geschäftsmodell, das systematisch auf Ausbeutung setzt.
«Diese Menschen wurden doppelt betrogen», erklärt Olaf Keller von der Gewerkschaft NGG. «Erst mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und dann hier unter unzumutbaren Bedingungen beschäftigt.» Der Fall steht nicht allein. Laut Berliner Beratungsstelle gegen Arbeitsausbeutung wurden allein im vergangenen Jahr über 300 ähnliche Fälle registriert.
Meine Recherchen in den letzten Wochen zeigen: Besonders die Gastronomie, das Reinigungsgewerbe und die Baubranche nutzen die Notlage Geflüchteter aus. Oftmals werden Unterkünfte zu überhöhten Preisen als «Gesamtpaket» angeboten, während der eigentliche Lohn weit unter dem Mindestlohn liegt.
«Viele wissen nicht, welche Rechte sie in Deutschland haben», berichtet Amina F., die selbst vor drei Jahren aus Syrien floh und heute in einer Beratungsstelle arbeitet. «Die Angst vor dem Jobverlust und die Sprachbarrieren machen sie besonders verwundbar.»
Die Kontrollen reichen nicht aus. Nur jeder zwanzigste Betrieb wird überhaupt vom Zoll überprüft. Der aktuelle Fall kam nur ans Licht, weil ein Mitarbeiter den Mut fand, sich an die Gewerkschaft zu wenden.
Die Ausbeutung Geflüchteter ist ein Gesellschaftsproblem. Es braucht mehr Kontrollen, niedrigschwellige Beratungsangebote und konsequente Strafen für Unternehmen, die systematisch ausbeuten. Letztlich geht es um eine einfache Frage: Wie ernst nehmen wir den Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft?