Mehr als 1.200 Menschen mit und ohne Behinderung demonstrierten gestern auf dem Münchner Marienplatz für Inklusion und Selbstbestimmung. «Nichts über uns ohne uns» war auf zahlreichen Plakaten zu lesen. 30 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzartikels 3, der die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung verbietet, mangelt es noch immer an Barrierefreiheit und gleichberechtigter Teilhabe.
Als ich durch die Menge ging, traf ich Markus Weber, der seit 15 Jahren im Rollstuhl sitzt. «Ich kann nicht spontan ins Kino oder Restaurant gehen. Ich muss immer vorher recherchieren, ob ich überhaupt reinkomme», erzählte er mir. Seine Frustration ist spürbar – und berechtigt. Laut einer aktuellen Studie des Sozialverbands VdK sind nur 36 Prozent der öffentlichen Gebäude in München vollständig barrierefrei.
Besonders beim Wohnen und auf dem Arbeitsmarkt klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. «Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf selbstbestimmtes Leben – doch dafür braucht es bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum», betonte Sozialreferentin Dorothee Schiwy in ihrer Rede. Vielerorts scheitert Teilhabe an baulichen Hürden oder fehlenden Assistenzleistungen.
Ähnliche Szenen habe ich in Hamburg oder Stuttgart erlebt, aber die Münchner Demonstration beeindruckte durch ihren generationenübergreifenden Charakter. Neben langjährigen Aktivisten waren viele junge Menschen dabei. Die 17-jährige Sophie mit Down-Syndrom forderte am Mikrofon: «Ich will später einen normalen Job und nicht in einer Werkstatt arbeiten!«
Was hier auf dem Marienplatz sichtbar wurde, ist ein gesellschaftlicher Wandel: Betroffene fordern lautstark ihr Recht auf Selbstbestimmung ein. Ob die Politik entsprechend handelt, bleibt abzuwarten. Aber eins wurde klar: Das Thema Behindertenrechte gehört in die Mitte der Gesellschaft – nicht an den Rand.