In Berlin geht das Ringen um bezahlbaren Wohnraum in die nächste Runde. Der schwarz-rote Senat hat gestern ein Rahmengesetz zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen vorgestellt – ein Schritt, der die Stadt seit dem erfolgreichen Volksentscheid 2021 spaltet. Laut aktuellen Zahlen des Berliner Mietervereins sind die Mieten seit 2021 um durchschnittlich 17 Prozent gestiegen, während 78 Prozent der Berliner Haushalte Schwierigkeiten haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Die Gesetzesvorlage sieht vor, dass Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohneinheiten gegen Entschädigung in öffentliches Eigentum überführt werden können. Betroffen wären etwa 240.000 Wohnungen. Die Entschädigungssumme wird auf 20 bis 29 Milliarden Euro geschätzt – ein Punkt, der heftige Debatten auslöst.
«Wir schaffen mit diesem Gesetz einen gangbaren Weg zwischen Verfassungstreue und dem Willen der Berliner Bevölkerung», erklärt Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der das Vorhaben lange kritisch sah. Dagegen wirft die Initiative «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» dem Senat Verschleppungstaktik vor: «Dieses Rahmengesetz ist ein Papiertiger ohne Biss.»
Als ich gestern auf dem Alexanderplatz mit Betroffenen sprach, wurde die Verzweiflung vieler Mieter greifbar. Die alleinerziehende Krankenschwester Jana M. erzählte mir mit Tränen in den Augen, wie ihre Miete innerhalb von drei Jahren um 240 Euro gestiegen ist – bei gleichbleibendem Gehalt.
Die Immobilienlobby warnt indes vor einem Kollaps des Wohnungsmarktes. Entscheidend wird nun sein, ob das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Experten rechnen mit jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen.
Die Umsetzung bleibt ein politischer Drahtseilakt. Während andere europäische Städte wie Wien auf genossenschaftliche Modelle setzen, geht Berlin einen deutschen Sonderweg. Die Frage bleibt: Wem gehört eigentlich die Stadt? Eine Antwort, die weit über Berlins Grenzen hinaus Bedeutung haben wird.