Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen einen bekannten HIV-Arzt nach fünf Jahren eingestellt. Dem 63-jährigen Mediziner wurde vorgeworfen, mehrere Patienten unter Narkose sexuell missbraucht zu haben. Die Ermittlungen begannen 2019 nach der Anzeige eines Patienten und wuchsen zu einem der komplexesten Missbrauchsverfahren der Hauptstadt an.
Als Reporterin habe ich die Entwicklung dieses Falls über Jahre verfolgt und war bei der Pressekonferenz dabei, als die Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung begründete: Mangelnde Beweislage. Die ursprünglichen Verdachtsmomente hätten sich nicht erhärten lassen. Zahlreiche Patienten, die unter Sedierung behandelt wurden, konnten keine stichhaltigen Beweise für Übergriffe liefern.
«In solchen Fällen steht die Justiz vor einem enormen Dilemma», erklärt Rechtsanwältin Claudia Morgen, die mehrere mutmaßliche Opfer vertritt. «Die Betroffenen können sich aufgrund der Narkose nicht erinnern, was genau passiert ist.»
Die Verteidigung des Arztes betont seine Unschuld und die Belastung durch das lange Verfahren. «Mein Mandant hat von Anfang an jegliches Fehlverhalten bestritten», so sein Anwalt Thomas Schulz.
Besonders erschütternd an diesem Fall ist die Vertrauensstellung des Mediziners. Er behandelte jahrelang HIV-Patienten, die oft stigmatisiert werden und besonderen Schutz benötigen. Ein ehemaliger Patient erzählte mir: «Er war für viele von uns mehr als ein Arzt. Er war ein Verbündeter.»
Trotz Einstellung des Verfahrens bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Für viele Patienten brechen nun Therapiebeziehungen weg, die Vertrauensbasis ist erschüttert. Der Fall zeigt, wie wichtig transparente Aufklärung im Gesundheitswesen ist – und wie schwer es bleibt, die Wahrheit zu finden, wenn Aussage gegen Aussage steht.