In Berlin erleben traditionelle Kneipen gerade eine erstaunliche Wiedergeburt. Junge Betreiberinnen und Betreiber zwischen 25 und 35 Jahren hauchen verstaubten Eckkneipen neues Leben ein. Was vor einigen Jahren noch als aussterbende Berliner Institution galt, lockt plötzlich wieder jüngeres Publikum an.
«Früher kamen hier fast nur Stammgäste über 60, heute mischen sich die Generationen», erzählt Lena Schmidt, die seit drei Jahren eine ehemalige Raucherkneipe in Neukölln führt. Die 31-Jährige hat das vergilbte Interieur größtenteils behalten, aber einen DJ-Pult in der Ecke installiert. Die klassische Kiezkneipenkultur erfährt dabei eine behutsame Modernisierung, ohne ihre Seele zu verlieren.
Die Berliner Wirtschaftsförderung verzeichnet einen Anstieg von 23 Prozent bei Neueröffnungen von Kneipen durch Betreiber unter 35 Jahren. Auffällig ist: Viele dieser neuen Gastronomen haben keine Branchenerfahrung, sondern kommen aus völlig anderen Berufen.
Bei meinen Recherchen in den letzten Monaten fiel mir auf, wie sehr diese Orte vom Gemeinschaftsgefühl leben. Die soziale Komponente scheint für junge Menschen wichtiger denn je – gerade nach der isolierenden Erfahrung der Pandemie.
«Wir bieten keinen Schnickschnack, nur ein paar gute Biere und ehrliche Gespräche», sagt Tom Bauer, der vor zwei Jahren seine IT-Karriere aufgab, um in Wedding eine Kneipe zu übernehmen. «Die Leute wollen nicht mehr nur digital kommunizieren.»
Was bedeutet diese Entwicklung für Berlin? Die Kiezkneipen könnten zu Brücken zwischen den Generationen werden. Orte, an denen Alteingesessene und Zugezogene zusammenfinden. Vielleicht brauchen wir in einer immer schnelllebigeren Zeit genau solche analogen Ankerpunkte. Oder wie eine Stammgästin es ausdrückte: «Hier kann ich einfach ich selbst sein – mit oder ohne WLAN.»