Mitten in Dresden beginnt ein Tag, der für die meisten unvorstellbar ist. Marcel Schulz setzt sich mit der ersten Tasse Kaffee an seinen Schreibtisch im Bestattungshaus und überfliegt die neuen Todesfälle. Ein Anruf aus dem Krankenhaus kam schon um 5:30 Uhr. «Jeder Tag ist einer weniger», sagt der 42-jährige Bestatter, während er seinen Terminkalender durchgeht.
Was viele nicht wissen: Der Beruf des Bestatters ist weit mehr als nur der Transport Verstorbener. Seit 15 Jahren begleitet Schulz Dresdner Familien durch ihre schwersten Stunden. «Am Anfang war es nicht leicht, mit dem Tod täglich konfrontiert zu werden», erzählt er. «Aber man entwickelt eine professionelle Distanz, ohne das Mitgefühl zu verlieren.»
Die Bürokratie nach einem Todesfall ist erdrückend. Allein für eine Bestattung müssen bis zu 40 Formulare ausgefüllt werden. Vom Standesamt bis zur Friedhofsverwaltung – überall werden Unterschriften und Dokumente benötigt. «Viele Angehörige sind überfordert», beobachtet Schulz. «In ihrer Trauer noch Behördengänge zu erledigen, ist eine zusätzliche Belastung.»
Im Gespräch mit den Angehörigen zeigt sich die wahre Kunst des Bestatters. «Manchmal sitzen Menschen vor mir, die seit Tagen nicht geschlafen haben», berichtet er. Eine ältere Dame kommt herein, ihr Mann ist gestern verstorben. Sie wirkt gefasst, bis sie über die Lieblingsmusik ihres Mannes spricht. Da fließen die Tränen.
Die Ansprüche an Bestattungen haben sich gewandelt. Während früher klassische Erdbestattungen Standard waren, wünschen sich heute viele Menschen individuellere Abschiede. «Eine Urnenbeisetzung mit der Lieblingsmusik aus der Jugend oder persönliche Gegenstände im Sarg – die Wünsche werden persönlicher», erklärt Schulz.
Der Kostendruck ist dennoch hoch. Eine durchschnittliche Bestattung in Dresden kostet zwischen 3.500 und 8.000 Euro. «Manche Familien müssen dafür einen Kredit aufnehmen», sagt Schulz. Die sogenannte Sozialbestattung, die vom Amt finanziert wird, deckt oft nur das Nötigste ab.
Am Ende des Tages fährt Schulz nach Hause zu seiner Familie. «Was mir hilft, ist das Wissen, dass ich Menschen in einer schweren Zeit unterstützen kann», sagt er. «Der Tod gehört zum Leben – wir haben nur verlernt, darüber zu sprechen.»