Der Kampf gegen graue Betonwüsten in norddeutschen Städten nimmt Fahrt auf. Hamburg, Lübeck und Kiel haben allein im vergangenen Jahr Flächen von mehr als 50 Fußballfeldern entsiegelt. Was früher unter Asphalt und Beton verschwand, wird heute bewusst freigelegt, um Regenwasser aufzunehmen und die Stadttemperatur zu senken.
«Wir stehen vor einem Wendepunkt«, erklärt Umweltsenator Jens Kerstan beim Ortstermin in Hamburg-Altona. Ich beobachte, wie er auf eine neu geschaffene Grünfläche deutet, die noch vor Monaten ein ungenutzter Parkplatz war. «Jeder Quadratmeter zählt im Kampf gegen Hitzeinseln und Überflutungen.»
Die Zahlen sind alarmierend: In Schleswig-Holstein sind bereits 11,3 Prozent der Landesfläche versiegelt, in Hamburg sogar 39 Prozent. Nach Angaben des Umweltbundesamtes gehen täglich bundesweit 55 Hektar durch Bebauung verloren – eine Fläche von etwa 78 Fußballfeldern.
Die Stadt Lübeck hat deshalb ein Pilotprojekt gestartet. «Wir fördern das Aufbrechen von Vorgärten mit bis zu 1.000 Euro», berichtet Stadtplanerin Mareike Körner. Besonders bei Starkregenereignissen zeigt sich, wie wichtig offene Böden sind, die Wasser aufnehmen können.
Auch an der Kieler Förde werden Uferpromenaden teilweise entsiegelt. «Manche Kaufleute fürchten zunächst Geschäftseinbußen, sehen dann aber die Vorteile», sagt Stadtrat Thomas Werner. «Begrünte Plätze ziehen mehr Menschen an als graue Betonflächen.»
In meinen fast zwanzig Jahren als Reporterin habe ich selten eine Entwicklung erlebt, die so schnell Fahrt aufgenommen hat. Doch der Weg ist noch weit. Experten schätzen, dass bislang weniger als fünf Prozent der versiegelten Flächen zurückgewonnen wurden.
Die Anwohner in den betroffenen Stadtteilen reagieren überwiegend positiv. «Es ist, als würde die Stadt wieder atmen können», sagt eine ältere Dame in Hamburg-Barmbek, während sie die neuen Grünflächen vor ihrer Haustür begießt. Mehr Informationen zu Fördermaßnahmen gibt es bei den Umweltämtern der Städte.
Werden unsere Innenstädte in zehn Jahren wieder grüner sein? Die ersten Schritte sind getan, doch mein Blick aus dem Redaktionsfenster in Hamburg zeigt: Der Weg zur grünen Stadt ist noch gepflastert mit vielen Herausforderungen – und leider auch mit viel zu viel Beton.