In Berlin-Neukölln stehen tausende Menschen auch am dritten Tag nach dem Brandanschlag auf ein Umspannwerk noch ohne Strom da. Laut Netzbetreiber Stromnetz Berlin sind rund 40.000 Haushalte und etwa 2.000 Gewerbebetriebe betroffen. Der Anschlag, bei dem Unbekannte in der Nacht zum Montag gezielt Kabel in Brand setzten, hat einen der schwersten Stromausfälle der letzten Jahrzehnte in der Hauptstadt verursacht.
«Die Reparaturarbeiten laufen auf Hochtouren, aber wir brauchen noch mindestens 48 Stunden», erklärt Thomas Weber, Sprecher von Stromnetz Berlin. Die Schäden sind massiver als zunächst angenommen. In den betroffenen Kiezen sind die Folgen deutlich spürbar: Supermärkte haben verderbliche Waren entsorgt, Restaurants bleiben geschlossen, und viele Anwohner sind zu Verwandten oder in Notunterkünfte gezogen.
Vor einem Hilfszentrum in der Sonnenallee stehen Menschen Schlange für Trinkwasser und Powerbanks. «Meine Eltern sind pflegebedürftig und wohnen im fünften Stock ohne Fahrstuhl», berichtet Anwohnerin Fatma Yilmaz. «Wir schaffen es kaum, sie zu versorgen.» Besonders ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern leiden unter der Situation.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger spricht von «terroristischer Infrastruktur-Sabotage» und verweist auf ein Bekennerschreiben einer bislang unbekannten Gruppe, die sich gegen die «kapitalistische Energiepolitik» wendet. Der Staatsschutz ermittelt. Sicherheitsexperten warnen seit Jahren vor der Verwundbarkeit kritischer Infrastrukturen.
In meinen zwanzig Jahren als Reporterin habe ich selten erlebt, wie schnell ein technischer Ausfall das Leben einer Großstadt lahmlegen kann. Bemerkenswert ist die Solidarität unter den Berlinern: Nachbarn teilen Ressourcen, Cafés mit Strom bieten kostenlose Handy-Ladestationen an.
Die wirtschaftlichen Schäden gehen laut IHK Berlin bereits in die Millionen. Der Vorfall wirft grundsätzliche Fragen zum Schutz lebenswichtiger Infrastruktur auf. Während Techniker rund um die Uhr arbeiten, bleibt die beunruhigende Erkenntnis: Unsere moderne Gesellschaft hängt buchstäblich an einem seidenen Faden – oder besser gesagt, an einem Stromkabel.