In den Büros deutscher Landwirte stapeln sich die Formulare höher als das Heu auf den Feldern. Nach jahrelangen Klagen über zu viel Bürokratie sollte eigentlich 2024 das Jahr der Entlastung werden. Doch die versprochene «Zeitenwende» lässt auf sich warten. Laut einer aktuellen Umfrage des Bauernverbands verbringen Landwirte durchschnittlich zwei volle Arbeitstage pro Woche mit Papierkram – Zeit, die auf dem Feld oder im Stall fehlt.
«Die Ankündigungen zum Bürokratieabbau sind zahlreich, aber die Umsetzung kommt kaum voran», kritisiert Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Besonders die Dokumentationspflichten für Düngung, Tierhaltung und Pflanzenschutz belasten die Betriebe. Während meiner Recherchen in Süddeutschland traf ich Milchbauern, die buchstäblich nächtliche Schichten einlegen, um alle Nachweise termingerecht einzureichen.
Das Problem hat System: Für jede gestrichene Vorschrift kommen oft drei neue hinzu. Die EU-Agrarpolitik, nationale Gesetze und regionale Auflagen überlagern sich wie die Schichten eines besonders komplizierten Bodens. Häufig fehlt die Digitalisierung oder verschiedene Behörden fordern ähnliche Daten mehrfach an.
Der Frust sitzt tief. «Wir wollen nachhaltig wirtschaften, nicht Formulare ausfüllen«, sagte mir ein Landwirt aus Baden-Württemberg, während er seinen Antrag auf Agrarförderung zum dritten Mal korrigierte. Er bewirtschaftet seinen Hof in vierter Generation, aber noch nie sei der Verwaltungsaufwand so erdrückend gewesen.
Hoffnung machen immerhin erste Pilotprojekte in Bayern und Niedersachsen, wo zentrale Datenplattformen mehrfache Eingaben vermeiden sollen. Ob die Politik den Teufelskreis der Überregulierung wirklich durchbrechen will, bleibt offen. Für die Landwirte geht es dabei um mehr als nur Zeit – es geht um die Zukunftsfähigkeit ihrer Höfe.