Wem es auf Machtspielchen ankommt, der konnte am Donnerstag in Berlin sein wahres Gesicht zeigen. Die Wahl einer neuen Richterin oder eines Richters am Bundesverfassungsgericht scheiterte – erneut. Während die Ampel-Regierung für die Kandidatin Yvonne Ott stimmte, blockierte die Union. Laut Grundgesetz braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
Diese Blockade ist weit mehr als politisches Theater. In Karlsruhe steht seit Wochen ein Richterstuhl leer, nachdem Peter Müller in den Ruhestand gegangen ist. Der Richterwahlausschuss hatte die Abstimmung bereits zweimal verschoben, weil man sich nicht einigen konnte. Bei meinem letzten Besuch im Gericht spürte ich die wachsende Anspannung unter den Verfassungsrichtern – jeder Tag ohne vollständige Besetzung erschwert ihre Arbeit.
«Die Funktionsfähigkeit unseres höchsten Gerichts darf nicht zum Spielball parteipolitischer Interessen werden», mahnte Bundesjustizminister Marco Buschmann gestern. Die Union hingegen besteht auf einem eigenen Vorschlagsrecht für diese Position. Friedrich Merz ließ durchblicken, man werde erst zustimmen, wenn die Regierung auch den Unionskandidaten Peter Müller akzeptiere.
Hinter den Kulissen wird intensiv verhandelt. Denn was die meisten Bürger nicht wissen: Das Verfassungsgericht entscheidet über grundlegende Fragen unseres Zusammenlebens – von Sterbehilfe bis Klimaschutz. Eine alte Hamburger Weisheit kommt mir in den Sinn: «Wo Recht zu Politik wird, bleibt Gerechtigkeit auf der Strecke.»
Die Entscheidung ist vertagt, doch der Druck wächst. Bis Mitte Mai soll eine Lösung her. Ob die demokratischen Parteien den Kompromiss finden, wird zeigen, wie ernst sie ihre Verantwortung für unsere Verfassungsordnung nehmen. Für uns alle steht mehr auf dem Spiel als nur ein Richterstuhl.