Der Christopher Street Day in Berlin gestern war ein besonderes Ereignis – Hunderttausende zogen mit bunten Flaggen und lauter Musik durch die Hauptstadt. Die Berliner Polizei schätzt die Zahl der Teilnehmenden auf etwa 350.000 Menschen. Diesmal stand der CSD unter verstärkten Sicherheitsmaßnahmen, nach dem tragischen Messerangriff in Mannheim und zunehmenden Übergriffen gegen queere Menschen.
«Es ist wichtig, dass wir heute trotz allem hier sind und zeigen: Wir lassen uns nicht einschüchtern», sagte Leon, ein 23-jähriger Student aus Kreuzberg, der regenbogenfarbene Glitzer im Gesicht trug. Die Stimmung schwankte zwischen ausgelassener Feier und ernster Entschlossenheit.
Die Polizei zeigte deutliche Präsenz, über 1.000 Beamte waren im Einsatz. Die Veranstalter hatten ihr Sicherheitskonzept überarbeitet und zusätzliche Ordner eingesetzt. «Die Sicherheit aller Teilnehmenden hat höchste Priorität», erklärte Marcel Höhn vom Berliner CSD-Verein.
Politisch war der Protest in diesem Jahr besonders laut. Forderungen nach konsequenterem Schutz vor Diskriminierung und Gewalt standen im Mittelpunkt. Regenbogenflaggen mischten sich mit Plakaten, die mehr Rechte für trans Menschen und gegen den Rechtsruck in Europa protestierten.
Als ich am Nollendorfplatz stand, wo sich die Demo sammelte, fiel mir auf, wie viele Familien mit Kindern teilnahmen – mehr als in den Vorjahren, als ich aus Hamburg zum Berliner CSD anreiste. Eine ältere Dame aus Tempelhof sagte mir: «Ich bin 72 und zum ersten Mal hier. Aber in diesen Zeiten muss man Gesicht zeigen.»
Die Botschaft des Tages war eindeutig: Trotz wachsender Besorgnis über zunehmende Queerfeindlichkeit will die Community sichtbar bleiben. Der CSD bleibt nicht nur eine Party, sondern vor allem ein politisches Statement. Die Frage, die sich viele stellen: Wie kann dieser Mut im Alltag geschützt werden, wenn die bunten Flaggen wieder eingerollt sind?