In der Dresdner Innenstadt schwelgen dieser Tage viele in Erinnerungen. Wo früher das «Gastmahl des Meeres» seine Gäste empfing, stehen heute Menschen Schlange und tauschen Geschichten aus. Die ehemalige Gaststätte, vor 40 Jahren ein begehrter Treffpunkt für Fischliebhaber, lebt in der kollektiven Erinnerung weiter. Eine aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum lockt täglich über 200 Besucherinnen und Besucher an.
Nicht nur das «Gastmahl des Meeres» hat sich in das Gedächtnis der Dresdnerinnen und Dresdner eingebrannt. Das «Italienische Dörfchen» am Theaterplatz überstand sogar die Bombennächte und wurde zum Symbol der Beständigkeit. «Hier habe ich 1978 meinen Mann kennengelernt», erzählt Helga Winkler, 72, während sie alte Fotos betrachtet. «Die Käseplatte und ein Glas Sekt gehörten für uns zum Ritual vor jedem Theaterbesuch.»
Das «Sophienkeller» im Taschenbergpalais dagegen war für seine deftigen sächsischen Gerichte bekannt. Dort trafen sich Einheimische und die wenigen Touristen aus dem «nichtsozialistischen Ausland», wie man damals sagte. «Man brauchte Beziehungen oder musste wochenlang auf einen Tisch warten», erinnert sich Stadthistoriker Dr. Frank Müller. «Das Essen war gut, aber der eigentliche Luxus war die Atmosphäre – etwas, das im grauen DDR-Alltag selten zu finden war.»
Auch das «Brauhaus am Waldschlösschen» erfreute sich großer Beliebtheit. Der damalige Küchenchef Rolf Hennig verrät: «Wir hatten oft keine Zutaten und mussten improvisieren. Manchmal kamen die Kartoffeln erst eine Stunde vor Öffnung an. Aber die Gäste waren geduldig – Hauptsache, sie bekamen ihren Platz.»
Ich selbst erinnere mich an meine ersten Recherchen in Dresden Anfang der 90er Jahre. Die Gastronomie befand sich im Umbruch, doch die Erzählungen über die alten Lokale waren allgegenwärtig. Sie waren mehr als nur Orte zum Essen – sie waren soziale Institutionen, die das kulturelle Leben der Stadt prägten.
Die Nostalgie für diese Orte wächst. Vielleicht liegt es daran, dass in einer Zeit der Mangelwirtschaft ein Restaurantbesuch etwas Besonderes war. Heute, wo an jeder Ecke ein Café oder Restaurant lockt, sehnen sich viele nach jener Exklusivität zurück. Was bleibt, sind die Geschichten – und die Frage, welche unserer heutigen Lokale in 40 Jahren nostalgische Gefühle wecken werden.