Die Deutsche Bahn hat gestern ihre neue Konzernstrategie vorgestellt. Der angeschlagene Staatskonzern plant einen radikalen Kurswechsel: Künftig sollen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Mittelpunkt stehen, nicht mehr Gewinnmaximierung. Vorstandschef Richard Lutz spricht von einer «Zeitenwende». Nach jahrelangen Rekordverspätungen und einem Schuldenberg von 30 Milliarden Euro kommt diese Kurskorrektur für viele nicht überraschend.
«Wir haben verstanden, dass wir uns neu ausrichten müssen», erklärte Lutz bei der Präsentation in Berlin. Der Fokus liege nun auf dem Kerngeschäft in Deutschland. Die internationale Logistiktochter Schenker, bisher größter Gewinnbringer, steht zum Verkauf. Mit den Erlösen will die Bahn ihre marode Infrastruktur sanieren.
Für Bahnexperte Markus Winter vom Verkehrsclub Deutschland ist die Strategie überfällig: «Jahrelang wurde die Infrastruktur auf Verschleiß gefahren. Nun rächt sich das.» Die Realität auf den Gleisen sieht düster aus: Jeder dritte Fernverkehrszug kommt zu spät, das Schienennetz ist an vielen Stellen veraltet.
Erst letzte Woche erlebte ich selbst auf der Strecke München-Hamburg, wie ein technischer Defekt für zweistündige Verspätung sorgte. Die Fahrgäste reagierten mit der für Bahnreisende typischen Mischung aus Resignation und Galgenhumor.
Die Bundesregierung unterstützt den Strategiewechsel mit zusätzlichen Mitteln für die Infrastruktur. Doch Verkehrsverbände bleiben skeptisch. Entscheidend wird sein, ob den Ankündigungen tatsächlich spürbare Verbesserungen folgen. Für Millionen Pendler und Reisende bleibt die bange Frage: Wird die neue Strategie die alte Unzuverlässigkeit endlich beenden?