Die Universität Duisburg-Essen dokumentiert antisemitische Friedhofsschändungen in Deutschland jetzt auf einer digitalen Karte. Seit heute können dort mehr als 2.200 Vorfälle abgerufen werden. Das Projekt «Zukunft der Erinnerung» macht deutlich, wie verbreitet die Angriffe auf jüdische Grabstätten von der Nachkriegszeit bis heute sind. Forscher haben Daten aus sieben Jahrzehnten zusammengetragen.
In Deutschland gibt es etwa 2.400 jüdische Friedhöfe, von denen viele immer wieder Ziel von Vandalismus werden. Die Karte zeigt: Besonders in den späten 1950er Jahren sowie nach der Wiedervereinigung häuften sich die Vorfälle. «Es geht um mehr als umgeworfene Grabsteine», erklärt Projektleiter Marcus Pleyer. «Diese Taten sind Angriffe auf die Würde der Verstorbenen und ein klares Signal an lebende Jüdinnen und Juden: Ihr gehört nicht dazu.»
Bei meinen Recherchen in Baden-Württemberg habe ich oft erlebt, wie tief diese Schändungen die jüdischen Gemeinden treffen. Ein Gemeindevorsteher in Stuttgart sagte mir einmal: «Der Friedhof ist unser Gedächtnis. Wer ihn angreift, will unsere Geschichte auslöschen.»
Die digitale Karte ist kein abgeschlossenes Projekt. Die Wissenschaftler rufen die Bevölkerung auf, weitere Vorfälle zu melden. «Wir wollen die Dimension dieser Form des Antisemitismus sichtbar machen», betont Pleyer. Die Datensammlung soll künftig auch in Schulen eingesetzt werden, um Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren.
Man kann nur hoffen, dass diese Form der Aufarbeitung zum Nachdenken anregt. Denn hinter jeder Markierung auf der Karte steht ein Akt der Entmenschlichung, der mitten in Deutschland stattgefunden hat – und leider bis heute stattfindet.