Die Straßen in Essen-Kray waren gestern Schauplatz eines bemerkenswerten Zusammenhalts. Als eine Gruppe von etwa 25 Neonazis durch das Viertel marschieren wollte, stellten sich ihnen über 200 Anwohner, Aktivisten und Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen entgegen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, um die angespannte Situation zu kontrollieren.
«Wir lassen nicht zu, dass Rechtsextreme unser Viertel für ihre Propaganda missbrauchen», erklärte Maria Schmidt vom Bündnis «Kray bleibt bunt». Nach Angaben des Staatsschutzes hatte die rechtsextreme Kleinstpartei «Die Rechte» den Aufmarsch organisiert, angeblich als Reaktion auf einen Vorfall an einer lokalen Schule.
In den vergangenen Wochen hatte es bereits ähnliche Versuche gegeben, in Essen-Kray Fuß zu fassen. Doch die Anwohner reagieren zunehmend organisiert. Der pensionierte Lehrer Jürgen Köster (68) beobachtet die Entwicklung mit Sorge: «Ich wohne seit 40 Jahren hier, und unser Viertel war immer ein Ort des friedlichen Miteinanders verschiedener Kulturen.»
Besonders beeindruckend war die breite Unterstützung aus allen Bevölkerungsschichten. Vom Bäckermeister bis zur Studentin standen Menschen Seite an Seite. Die Polizei Essen bestätigte später, dass der Neonazi-Aufmarsch nach nur 30 Minuten abgebrochen wurde.
In den sozialen Netzwerken zeigten sich viele Essener solidarisch mit den Protestierenden. «Die schnelle Mobilisierung über WhatsApp-Gruppen hat entscheidend zum Erfolg beigetragen», erläutert Sozialwissenschaftlerin Dr. Hannah Weber von der Universität Duisburg-Essen.
Was bleibt, ist ein gestärktes Gemeinschaftsgefühl. «Heute haben wir gezeigt, dass Kray kein Ort für Hass ist», resümierte Bezirksbürgermeisterin Petra Tischler. Doch die Frage bleibt: Wie nachhaltig kann zivilgesellschaftlicher Protest gegen rechtsextreme Strukturen wirken?