Der Führungswechsel bei der FDP kam überraschend, trotz monatelanger interner Spannungen. Christian Dürr, 47, bisheriger Fraktionschef, folgt auf Christian Lindner, der nach 13 Jahren an der Parteispitze seinen Rücktritt erklärte. Die Entscheidung fiel gestern auf einem kurzfristig einberufenen Sonderparteitag in Berlin, wo Dürr mit 86 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt wurde.
«Wir stehen vor einem grundlegenden Neuanfang», sagte Dürr in seiner ersten Rede als Parteivorsitzender. «Die FDP muss wieder erkennbar werden als die Partei, die für wirtschaftliche Vernunft und persönliche Freiheit eintritt.» Der Niedersachse gilt als pragmatischer Brückenbauer, der auch mit dem Koalitionspartner SPD verhandlungssichere Kompromisse finden kann.
Lindner, der seinen Posten als Finanzminister behält, begründete seinen Schritt mit der Notwendigkeit einer «klaren Rollenverteilung» in schwierigen Zeiten. «Um die Ampel zum Erfolg zu führen und gleichzeitig das liberale Profil zu schärfen, brauchen wir eine personelle Trennung zwischen Regierungsamt und Parteiführung», erklärte er unter dem Applaus der Delegierten.
Die Wende kam für viele Beobachter unerwartet. Noch vor zwei Wochen hatte Lindner Rücktrittsforderungen zurückgewiesen. In Hamburg, wo ich mit FDP-Mitgliedern sprach, war die Stimmung gemischt: «Endlich ein neues Gesicht», meinte ein langjähriges Parteimitglied, «aber ob das reicht, um aus dem Umfragetief herauszukommen?»
Mit Dürr steht nun ein Politiker an der Spitze, der weniger polarisiert als sein Vorgänger. Er muss die Partei, die in Umfragen bei 4 Prozent liegt, wieder über die Fünf-Prozent-Hürde führen. Keine leichte Aufgabe, wie mir ein Parteifreund aus Baden-Württemberg anvertraute: «Der Christian hat ein verdammt schweres Erbe angetreten.»
Die ersten Reaktionen aus den Reihen der Koalitionspartner fielen verhalten positiv aus. Ob der Wechsel die krisengeschüttelte Ampel stabilisieren kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Für die FDP beginnt jedenfalls ein neues Kapitel – mit offenem Ausgang.