Die Skyline wächst, aber unter ihr wird das alte Frankfurt neu entdeckt. Im Stadtteil Höchst haben Archäologen gestern bei Bauarbeiten für ein neues Wohnquartier mittelalterliche Fundamente freigelegt. «Wir vermuten, dass es sich um Überreste der ursprünglichen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert handelt«, erklärt Dr. Martina Weber vom Historischen Museum Frankfurt.
Die Entdeckung reiht sich ein in eine Serie archäologischer Funde, die während des aktuellen Baubooms in der Mainmetropole gemacht wurden. Erst im Januar stießen Bauarbeiter im Ostend auf römische Siedlungsspuren. Laut städtischer Statistik wurden in den letzten zwei Jahren bei 27 Prozent aller größeren Bauprojekte historisch bedeutsame Funde gemacht.
«Frankfurt wächst nicht nur in die Höhe, sondern entdeckt gleichzeitig seine Wurzeln neu», sagt Oberbürgermeister Mike Josef bei einem Pressetermin. Die Stadt hat mittlerweile ein spezielles Programm aufgelegt, das Bauentwicklung und Denkmalpflege besser verzahnen soll.
In meinen fast zwanzig Jahren als Reporterin habe ich selten eine Stadt erlebt, die ihre Vergangenheit und Zukunft so intensiv gleichzeitig verhandelt. Vor allem jüngere Frankfurter zeigen überraschendes Interesse. «Die Geschichte unter unseren Füßen macht die Stadt greifbarer», sagt Stadtführerin Claudia Becker, die neuerdings spezielle Touren zu Ausgrabungsstätten anbietet.
Der Stadtrat berät kommende Woche über ein neues Konzept zur Integration historischer Funde in moderne Bauprojekte. «Wir können nicht alles konservieren, aber wir müssen klüger damit umgehen», erklärt Planungsdezernent Josef.
Vielleicht liegt gerade darin Frankfurts Charme: Eine Stadt, die nach oben strebt, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Oder wie ein älterer Herr am Fundort in Höchst es ausdrückte: «Manchmal muss man erst graben, um zu wachsen.«