Article – Die Geheimkontakte eines der mächtigsten Politiker der Bonner Republik sorgen heute für Aufsehen. Franz Josef Strauß, der 1980 als Kanzlerkandidat der Union antrat, bot US-Diplomaten offenbar vertrauliche Informationen an. Das geht aus Dokumenten des US-Außenministeriums hervor, die nun öffentlich zugänglich sind. Die Papiere werfen ein neues Licht auf den CSU-Politiker, der zu Lebzeiten als Verfechter deutscher Interessen galt.
In einem Gespräch mit dem US-Botschafter soll Strauß angeboten haben, die Amerikaner mit Interna aus Gesprächen mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt zu versorgen. Die Dokumente zeigen, wie eng die Verflechtungen zwischen deutschen Spitzenpolitikern und der US-Regierung mitten im Kalten Krieg waren. «Strauß wollte unbedingt als verlässlicher Partner der USA wahrgenommen werden«, erklärt der Historiker Michael Wolffsohn gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.
Was in München schon länger als offenes Geheimnis galt, bekommt nun historische Substanz: Strauß pflegte intensive Kontakte nach Washington – intensiver als bisher bekannt. Als ich vor Jahren mit einem langjährigen CSU-Mitarbeiter sprach, deutete dieser an: «Der Franz Josef hatte immer mehrere Eisen im Feuer.«
Besonders brisant: Das Angebot fiel in eine Zeit, in der Strauß als möglicher Nachfolger von Schmidt um das Kanzleramt kämpfte. Die SPD-geführte Bundesregierung verfolgte damals eine eigenständigere Politik gegenüber dem Ostblock, was in Washington mit Argwohn beobachtet wurde.
Die Enthüllungen werfen grundsätzliche Fragen zum Verhältnis zwischen Loyalität und Staatsräson auf. Wie weit darf Opposition gehen? Wo verläuft die Grenze zwischen Parteiinteressen und nationalen Interessen? Diese Fragen sind auch heute, mehr als vier Jahrzehnte später, von erschreckender Aktualität.