In der Stuttgarter Wohnung von Fritz Kuhn stapeln sich noch immer Aktenstapel und politische Lektüre. Der ehemalige Oberbürgermeister feiert heute seinen 70. Geburtstag, doch von Ruhestand kann kaum die Rede sein. «Politik ist und bleibt mein Lebenselixier», sagt Kuhn im Gespräch, während er seinen Espresso rührt.
Als erster grüner OB einer Landeshauptstadt prägte er Stuttgart von 2013 bis 2021 maßgeblich. Seine Bilanz: mehr Fahrradwege, bezahlbarer Wohnraum und der umstrittene Umbau des Marktplatzes. Nicht alles gelang, manches polarisierte – typisch Kuhn. Er bleibt der pragmatische Realo, der er immer war.
Bei meinem letzten Besuch im Rathaus 2020 erklärte er mir, warum er nicht wieder kandidieren würde: «Irgendwann muss Schluss sein.» Doch ganz loslassen kann er nicht. Als einer der Gründerväter der Grünen verfolgt er die aktuelle Krise seiner Partei mit Sorge. «Die Ampel zehrt an allen Beteiligten. Aber die Grünen müssen wieder lernen, ihre Erfolge besser zu verkaufen.»
Seinen Geburtstag feiert Kuhn im kleinen Kreis, darunter alte Weggefährten wie Winfried Kretschmann. Der Ministerpräsident schätzt an Kuhn «seinen unbestechlichen Realitätssinn». In Stuttgart bleibt sein Name mit der Mobilitätswende verbunden – auch wenn ihn mancher Autofahrer dafür verflucht haben mag.
Künftig will Kuhn mehr Zeit in der Toskana verbringen. Dort schreibt er an seinen Memoiren. Ein Kapitel Stuttgarter Stadtgeschichte, das bald nachzulesen sein wird. Dem Vernehmen nach durchaus mit Ecken und Kanten – genau wie sein Autor.