Der Konflikt um Kaarsts Entwicklung spitzt sich zu. Die Freie Wählergemeinschaft (FWG) hat gestern in einer Pressekonferenz massive Kritik an der städtischen Entwicklungspolitik der letzten fünf Jahre geübt. «Kaarst wird systematisch zugebaut, ohne dass die Infrastruktur mitwächst», sagte FWG-Vorsitzender Michael Terwingen. Besonders das Neubaugebiet «Am Obstgut» steht im Zentrum der Auseinandersetzung.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit 2019 wurden in Kaarst über 1.200 neue Wohneinheiten genehmigt, während nur eine Kita und keine neuen Schulen entstanden sind. Die FWG kritisiert zudem die Verkehrsplanung. «Die Straßen sind jetzt schon überlastet, und mit jedem Neubaugebiet wird es schlimmer», so Ratsmitglied Sabine Schmidt. Die Stadtwerke hätten zudem bestätigt, dass die Kapazitäten für Wasser und Abwasser an ihre Grenzen stoßen.
Bürgermeisterin Ursula Baum wies die Kritik zurück: «Wir entwickeln Kaarst nachhaltig und mit Augenmaß.» Das sehen viele Anwohner anders. Bei einer Bürgerversammlung im März hatten über 200 Menschen gegen die Verdichtung protestiert. Ich war dabei und spürte die Frustration: Viele fühlen sich von der Politik nicht gehört.
Die FWG fordert nun einen sofortigen Stopp weiterer Bauprojekte und einen runden Tisch zur Stadtentwicklung. Experten wie Stadtplaner Prof. Dr. Martin Weber unterstützen diesen Ansatz: «Wachstum braucht vorausschauende Planung, sonst kollabiert die Infrastruktur.»
Diese Auseinandersetzung könnte die Kommunalwahl im nächsten Jahr prägen. Die Frage ist nicht, ob Kaarst wachsen soll, sondern wie – und ob die Menschen dabei mitgenommen werden. In meinen fast 20 Jahren als Journalistin habe ich selten eine so aufgeheizte Stimmung bei Kommunalthemen erlebt.