Als ich gestern durch den Saal der Berliner Staatsbibliothek ging, konnte man die Ehrfurcht förmlich spüren. Hunderte Menschen waren gekommen, um Margot Friedländer zu gedenken, der Holocaust-Überlebenden, die im Mai mit 102 Jahren starb. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bewegende Worte: «Ihre Lebensgeschichte ist Teil unserer Geschichte. Sie hat uns allen gezeigt, was es heißt, menschlich zu bleiben.»
Margot Friedländer kehrte erst mit 88 Jahren nach Deutschland zurück, nachdem sie den Holocaust überlebt und Jahrzehnte in New York gelebt hatte. Statt zu schweigen, entschied sie sich für das Erzählen. Ein Entschluss, der tausende Jugendliche geprägt hat. «Seid Menschen«, war ihre Botschaft, die sie unermüdlich in Schulen vortrug. Selbst mit über 100 Jahren noch.
Ihre Nichte Rebecca Harris war aus den USA angereist und sagte mit tränenerstickter Stimme: «Tante Margot hat uns gelehrt, dass wir trotz allem die Wahl haben, wie wir auf Hass reagieren.» Schülerinnen der Margot-Friedländer-Schule in Berlin-Mitte trugen eigene Gedichte vor, manche weinten leise.
Vor der Tür traf ich Lena, 17, die Friedländer zweimal persönlich erlebt hatte. «Sie hat uns nicht nur Geschichte beigebracht, sondern wie wir heute leben sollten», sagte sie mir. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner betonte: «Berlin wird ihre Botschaft weitertragen.»
Während draußen vor der Bibliothek eine kleine Gruppe Demonstranten antisemitische Parolen rief, wurde drinnen deutlich: Margot Friedländers Vermächtnis ist wichtiger denn je. Es mahnt uns, wachsam zu bleiben – nicht nur beim Erinnern, sondern im täglichen Miteinander.