Article – Die Tage des Gehwegparkens in München sind gezählt. Nach jahrelanger Duldung greift die Stadt jetzt durch: Ab dem 1. Juli 2023 sollen Falschparker konsequent zur Kasse gebeten werden. Eine Entscheidung, die bei vielen Anwohnern für Unmut sorgt – schließlich fehlen in den eng bebauten Vierteln oft die Alternativen.
Oberbürgermeister Dieter Reiter hat die Brisanz erkannt und schlägt nun einen Kompromiss vor. «Wir brauchen eine praktikable Lösung, die sowohl die Interessen der Anwohner als auch die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt», erklärte er gestern im Rathaus. Sein Plan: In ausgewählten Straßen soll das Gehwegparken unter bestimmten Bedingungen weiterhin erlaubt bleiben.
Die Voraussetzungen sind streng: Mindestens 1,80 Meter müssen für Fußgänger, Kinderwagen und Rollstuhlfahrer frei bleiben. Zudem sollen die betroffenen Straßen genau kartiert werden. Experten der Verkehrsplanung schätzen, dass etwa 30 Prozent der bisherigen Gehwegparkplätze erhalten bleiben könnten.
Für Hildegard Weber vom Münchner Fußgängerverband geht der Vorschlag nicht weit genug: «Die Gehwege gehören den Menschen, nicht den Autos.» Anders sieht das Anwohner Michael Gruber aus Haidhausen: «Wo sollen wir denn parken? Die Tiefgaragen sind unbezahlbar.»
In meinen fast zwanzig Jahren als Reporterin habe ich selten ein Thema erlebt, das den Alltag so vieler Menschen direkt betrifft. Bei meinem Lokaltermin in der Isarvorstadt standen Anwohner diskutierend vor ihren Häusern – die Verunsicherung ist spürbar.
Der Stadtrat wird über den Vorschlag am kommenden Dienstag abstimmen. Eine schnelle Lösung ist dringend nötig, denn die Zeit drängt. Die Frage bleibt: Kann München den Spagat zwischen Mobilitätswende und Anwohnerbedürfnissen schaffen? Die Antwort wird nicht nur für die Landeshauptstadt, sondern für viele Großstädte richtungsweisend sein.