Die Schweizer Bergregion Lötschental steht vor einer Naturkatastrophe. Seit gestern Abend wurden 87 Personen aus drei Dörfern evakuiert, nachdem Experten einen unmittelbar bevorstehenden Gletscherabbruch am Langgletscher prognostizierten. Messungen zeigen eine bedrohliche Beschleunigung der Eismassen um das Dreifache innerhalb der letzten 48 Stunden, wie die kantonale Naturgefahrenstelle mitteilt.
«Es ist eine Frage von Stunden, nicht von Tagen», erklärte Dr. Marianne Berger vom Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung beim Ortstermin gestern. Bis zu 2 Millionen Kubikmeter Eis könnten ins Tal stürzen – genug, um ein Fußballfeld 300 Meter hoch zu bedecken. Die ungewöhnlich warmen Temperaturen der vergangenen Wochen haben den Gletscher destabilisiert.
Die Evakuierten kamen bei Verwandten oder in einer Notunterkunft in Kippel unter. Bemerkenswert ist die Ruhe, mit der die Bewohner reagieren. «Wir kennen unsere Berge und ihre Gefahren», sagt Martin Ritler, dessen Familie seit sieben Generationen im Tal lebt. «Aber so schnell ging es noch nie.»
Als ich vor drei Jahren zuletzt im Lötschental war, berichteten mir Einheimische bereits von sichtbaren Veränderungen am Gletscher. Was damals Besorgnis auslöste, ist heute akute Gefahr.
Die Schweizer Behörden haben einen Krisenstab eingerichtet. Ein Frühwarnsystem soll den genauen Zeitpunkt des Abbruchs vorhersagen. Die Sperrung des Tals könnte Wochen dauern, ein schwerer Schlag für den lokalen Tourismus. Der Fall zeigt beispielhaft, wie der Klimawandel nicht nur langsame Veränderungen, sondern auch akute Gefahren mit sich bringt. Was bleibt, ist die bange Frage: Welcher Gletscher ist der nächste?