In einem überraschenden Schritt hat Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda gestern die sofortige Entlassung von Ballettchef Demis Volpi verkündet. Der erst vor zwei Spielzeiten als Nachfolger der Ballett-Legende John Neumeier berufene Choreograf muss seinen Posten mit sofortiger Wirkung räumen. Die Entscheidung fiel nach einer Krisensitzung der Kulturbehörde mit dem Aufsichtsrat des Hamburg Ballett.
Die Gründe für die Entlassung liegen in einem dramatischen Besucherrückgang von fast 40 Prozent seit Volpis Amtsantritt. Während unter Neumeier regelmäßig 95 Prozent der Plätze besetzt waren, kamen zu Volpis Inszenierungen oft nur halb so viele Zuschauer. Dazu kommen finanzielle Probleme: Das Defizit der Compagnie ist auf fast drei Millionen Euro angewachsen – ein Rekordtief in der Geschichte des renommierten Ensembles.
«Die Entwicklung der letzten Monate hat uns keine andere Wahl gelassen», erklärte Brosda bei der Pressekonferenz im Rathaus. «Wir haben Herrn Volpi Zeit gegeben, seinen eigenen Stil zu etablieren, aber die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.» Besonders kritisch sieht der Senator die künstlerische Neuausrichtung: «Der radikale Bruch mit dem Erbe Neumeiers hat das Publikum verstört statt begeistert.»
Als ich letzten Monat bei der Premiere von Volpis «Metropolis» war, blieben tatsächlich etliche Plätze leer – ein ungewohntes Bild in der sonst ausverkauften Staatsoper. In Gesprächen mit Stammgästen hörte ich immer wieder: «Das ist nicht mehr unser Hamburg Ballett.»
Interimsweise übernimmt nun Lloyd Riggins, langjähriger Erster Solist unter Neumeier, die Leitung. Er soll das Ensemble stabilisieren, bis zur nächsten Spielzeit eine neue Direktion gefunden werden kann. Mehr dazu auf der Webseite der Kulturbehörde Hamburg.
Die Entscheidung wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie viel Innovation verträgt eine traditionsreiche Institution? Und wann sollte man einem neuen künstlerischen Leiter mehr Zeit geben? Hamburg muss nun den Spagat zwischen Tradition und Erneuerung neu austarieren – eine Herausforderung, die viele Kulturinstitutionen kennen.