Wenn der HSV spielt, setzt sich Saša Stanišić immer an denselben Platz. Ein bestimmtes Trikot, eine glückbringende Socke oder ein Ritual vor dem Anpfiff – wer denkt, Aberglaube im Fußball sei nur etwas für die Spieler auf dem Rasen, hat sich getäuscht. Laut einer aktuellen Umfrage praktizieren rund 68 Prozent der Fußballfans regelmäßig abergläubische Rituale, um «ihrer» Mannschaft zum Sieg zu verhelfen.
Der Schriftsteller Saša Stanišić, bekennender HSV-Fan, beschreibt seine Beziehung zum Fußball als eine Mischung aus Leidenschaft und Aberglauben: «Ich sitze immer an derselben Stelle und trage bei Heimspielen mein altes HSV-Trikot. Es fühlt sich an, als könnte ich tatsächlich etwas bewirken.» Diese irrationale, aber tiefempfundene Verbindung zwischen Fan-Verhalten und Spielergebnis ist kein Einzelfall. In unserer durchrationalisierten Welt, in der Sportereignisse durch Datenanalysen und wissenschaftliche Trainingsmethoden geprägt sind, bleibt der Aberglaube ein faszinierendes Relikt.
Sportpsychologin Dr. Maria Schneider erklärt: «Diese Rituale geben Fans ein Gefühl von Kontrolle in einer Situation, die eigentlich völlig außerhalb ihrer Einflussmöglichkeiten liegt. Es ist ein psychologischer Mechanismus, der Stress reduziert und die emotionale Bindung zum Verein verstärkt.» Besonders intensiv wird dieser Aberglaube bei Derbys wie dem Hamburger Stadtduell zwischen HSV und St. Pauli ausgelebt. Die digitale Welt hat diese Phänomene sogar verstärkt – in Fan-Foren und WhatsApp-Gruppen werden «erfolgreiche» Rituale geteilt und kollektiv praktiziert.
Was sagt es über uns als moderne Gesellschaft aus, dass wir in einer Zeit der Künstlichen Intelligenz und Datenanalyse immer noch auf magisches Denken zurückgreifen, wenn es um unsere Leidenschaft geht? Vielleicht ist es genau diese irrationale Komponente, die den Fußball so besonders macht – ein Raum, in dem wir uns erlauben können, an etwas zu glauben, das jenseits von Logik und Vernunft liegt.