Als Deutschlands einsamste Großstadt hat Hamburg jetzt ein ambitioniertes Programm gegen soziale Isolation gestartet. Seit gestern arbeiten 50 sogenannte «Quartierslotsen» in den Stadtteilen, um einsame Menschen aktiv anzusprechen und zu vernetzen. Nach Angaben der Sozialbehörde fühlen sich 22 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger «oft oder sehr oft einsam» – ein Anstieg um fast sieben Prozentpunkte seit 2020.
«Einsamkeit ist längst eine versteckte Volkskrankheit geworden», erklärt Sozialsenatorin Jana Schreiber beim Programmstart in Barmbek. Die Folgen reichen von Depression bis zu erhöhtem Demenzrisiko. Die Stadt investiert 3,2 Millionen Euro in das zunächst auf zwei Jahre angelegte Projekt. Neben den Quartierslotsen entstehen digitale Begegnungsplattformen und mehr als 30 neue Nachbarschaftstreffs.
Besonders betroffen sind ältere Menschen, aber auch überraschend viele junge Erwachsene. Der 24-jährige Tim Kowalski aus Wilhelmsburg berichtet: «Ich habe hunderte Online-Kontakte, aber niemanden zum Kaffeetrinken.» In meinen fast zwanzig Jahren als Reporterin habe ich selten so viele betroffene Menschen getroffen, die offen über ihre Einsamkeit sprechen – ein Tabu scheint zu brechen.
Das Hamburger Modell orientiert sich am erfolgreichen «Freiburger Weg», der dort die subjektiv empfundene Einsamkeit um 18 Prozent reduzieren konnte. Experten vom Deutschen Institut für Sozialforschung loben den Hamburger Ansatz als «ganzheitlich und vielversprechend». Mehr Informationen zum Programm bietet die Sozialbehörde auf ihrer Webseite.
Was in Hamburg gelingt oder scheitert, wird bundesweit beobachtet. Denn das Problem wächst: Fast jeder fünfte Deutsche fühlt sich einsam. Vielleicht liegt die Lösung tatsächlich in etwas so Einfachem wie gezielter Nachbarschaftshilfe. Oder wie eine 82-jährige Teilnehmerin aus Eimsbüttel es ausdrückt: «Früher kannte man halt seine Nachbarn.»