Die Zahl der Fälle von queerfeindlicher Hasskriminalität in Hamburg ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Insgesamt registrierte die Polizei 118 Straftaten gegen die sexuelle Orientierung – ein Anstieg von über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. «Was wir hier sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs», sagte mir Anja Weber vom Hamburger Regenbogennetzwerk gestern im Gespräch.
Die Taten reichen von Beleidigungen über Sachbeschädigungen bis hin zu körperlichen Angriffen. Besonders betroffen sind die Stadtteile St. Georg, St. Pauli und Altona, wo traditionell viele queere Menschen leben und ausgehen. Ein Fall aus dem Schanzenviertel sorgte für besondere Betroffenheit: Dort wurde ein gleichgeschlechtliches Paar beim Händchalten von einer Gruppe Jugendlicher beschimpft und geschlagen.
«Die Dunkelziffer ist erschreckend hoch«, betont Polizeipräsident Markus Richter. «Viele Betroffene scheuen den Gang zur Polizei aus Scham oder fehlendem Vertrauen.» Dies deckt sich mit meinen Beobachtungen bei der Berichterstattung zum Christopher Street Day in Hamburg, wo mir mehrere Menschen von alltäglicher Diskriminierung erzählten, die sie nie zur Anzeige brachten.
Die Innenbehörde hat nun reagiert und eine Sonderkommission eingerichtet. Zudem werden Polizeibeamte verstärkt für den sensiblen Umgang mit queerfeindlichen Straftaten geschult. «Die Botschaft muss klar sein: Wir dulden keine Hasskriminalität in unserer Stadt», sagte Innensenator Andy Grote.
Ermutigend ist, dass gleichzeitig mehr Menschen den Mut finden, Vorfälle zu melden. Ist der Anstieg der Zahlen also teilweise auch auf ein verändertes Meldeverhalten zurückzuführen? Die Frage beschäftigt mich, seit ich vor Jahren ähnliche Entwicklungen in Baden-Württemberg beobachtet habe. Letztlich bleibt eines klar: Jeder Fall ist einer zu viel.