Der Stuttgarter Radweg-Streit geht in die Verlängerung. Die lang erwartete Entscheidung über die Hauptradroute vom Stuttgarter Westen in die Innenstadt wurde gestern Abend im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik überraschend vertagt. Grund sind neue Alternativvorschläge, die nun geprüft werden sollen. Die Route soll täglich bis zu 5.000 Radfahrern eine sichere Verbindung bieten.
«Wir brauchen mehr Zeit, um alle Optionen gründlich zu untersuchen», erklärte Bürgermeister Dirk Thürnau in der Sitzung. Der ursprüngliche Vorschlag, die Radroute über die Rotebühlstraße zu führen, stieß auf Widerstand – besonders von Anwohnern und Gewerbetreibenden, die um Parkplätze fürchten.
Als ich vor zwei Wochen die Rotebühlstraße entlangradelte, wurde mir die Problematik direkt vor Augen geführt: Parkende Autos auf beiden Seiten, enger Verkehr und Radfahrer, die sich zwischen Autotüren und fahrenden Fahrzeugen hindurchschlängeln müssen. Eine gefährliche Situation, die ich seit meiner Zeit als Lokalreporterin in Stuttgart nur zu gut kenne.
Die Stadtverwaltung hatte bisher drei Varianten vorgelegt. Nun kamen zwei weitere Vorschläge aus den Fraktionen hinzu. «Die neuen Varianten könnten weniger Parkplätze kosten, aber trotzdem die Verkehrssicherheit verbessern», so CDU-Stadtrat Maximilian Mörseburg.
Auch die ADFC-Vorsitzende Susanne Rücker äußerte sich: «Jeder weitere Monat ohne sichere Radwege bedeutet potenzielle Unfallgefahr. Aber wenn die zusätzliche Zeit zu einer besseren Lösung führt, können wir damit leben.»
Die Entscheidung soll nun im März fallen. Bis dahin werden alle fünf Varianten technisch und wirtschaftlich geprüft. Dass ausgerechnet in Stuttgart, wo der Autoverkehr traditionell Vorrang genießt, so intensiv um Radwege gerungen wird, zeigt einen langsamen, aber stetigen Wandel. Wie werden die Stuttgarter diesen Kompromiss zwischen Auto-, Rad- und Fußverkehr gestalten? Die Stadt steht vor einer Richtungsentscheidung.