In der Grundschule meines Neffen fiel kürzlich ein achtjähriger Junge auf – hochbegabt, aber mit schlechten Noten. Er langweilte sich im Unterricht, störte und zog sich zunehmend zurück. Die Klassenlehrerin bemerkte schließlich sein außergewöhnliches Interesse an Astronomie. Nach einem IQ-Test bestätigte sich: Der Junge hat einen IQ von 135. In Deutschland leben etwa 2 Millionen hochbegabte Menschen, darunter viele Kinder, deren Potenzial oft unentdeckt bleibt.
Hochbegabung ist keine Garantie für schulischen Erfolg – im Gegenteil. «Viele hochbegabte Kinder scheitern im regulären Schulsystem, weil sie unterfordert sind», erklärt Dr. Sabine Schmidt vom Deutschen Zentrum für Hochbegabungsforschung. «Sie entwickeln Verhaltensprobleme oder ziehen sich zurück.» Die Statistik bestätigt: Etwa 15 Prozent aller hochbegabten Kinder haben schulische Schwierigkeiten bis hin zum Schulabbruch.
Auf einer Bildungskonferenz in Düsseldorf letzte Woche traf ich Eltern, deren hochbegabte Tochter erst in der siebten Klasse entdeckt wurde – nach Jahren der Frustration. Die Diagnose war für die Familie eine Erlösung. «Plötzlich verstanden wir, warum unsere Tochter sich im Unterricht langweilte und zuhause komplexe Themen erforschte», berichtete die Mutter.
Die gute Nachricht: Immer mehr Schulen entwickeln spezielle Förderkonzepte. Die Herausforderung liegt in der frühen Erkennung. Seit meiner Berichterstattung über die Finanzkrise 2008 habe ich gelernt, dass Potenzial überall schlummert – man muss es nur erkennen und fördern. Gleiches gilt für hochbegabte Kinder.
Was können wir tun? Sensibilisierung von Lehrkräften und Eltern ist entscheidend. Nicht jedes Kind, das im Unterricht stört, ist verhaltensauffällig – manchmal ist es einfach unterfordert. Müssen wir unser Bildungssystem grundlegend überdenken, um allen Kindern gerecht zu werden – auch denen, die mehr können als der Lehrplan vorsieht?