Die finanzielle Krise des Jüdischen Krankenhauses in Berlin hat einen dramatischen Höhepunkt erreicht. Gestern stellte die traditionsreiche Klinik Insolvenzantrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg. Die 1756 gegründete Einrichtung, die selbst die NS-Zeit überstand, könnte nun nach 268 Jahren schließen. Betroffen sind rund 700 Mitarbeiter und zahlreiche Patienten im Norden Berlins.
Der Weg in die Insolvenz war kurz und steil. Erst im April hatte das Krankenhaus vom Land Berlin eine Soforthilfe von 10 Millionen Euro erhalten. Doch diese reichte nicht aus, um die finanziellen Löcher zu stopfen. Wie mir ein langjähriger Pfleger, der anonym bleiben möchte, berichtete: «Wir haben seit Monaten geahnt, dass es eng wird. Aber dass es so schnell geht, hat uns alle schockiert.»
Die Gründe für die Schieflage sind vielschichtig. Neben der allgemeinen Unterfinanzierung im Gesundheitswesen spielten steigende Energiekosten und Inflationseffekte eine entscheidende Rolle. Hinzu kamen Probleme bei der Personalgewinnung. «Die Krankenhausreform kam für uns zu spät», erklärte Klinikgeschäftsführer Roland Thalhäuser.
Besonders bitter: Das Jüdische Krankenhaus genießt einen hervorragenden Ruf für seine Geriatrie und Psychiatrie. Bei meinen Recherchen vor Ort spürte ich die tiefe Verbundenheit der Anwohner mit «ihrem» Krankenhaus. Eine 84-jährige Patientin sagte mir mit Tränen in den Augen: «Hier wurde meine Hüfte operiert, hier kenne ich jede Schwester. Wo soll ich jetzt hingehen?»
Der vorläufige Insolvenzverwalter versucht nun, einen Rettungsplan zu erarbeiten. Das Land Berlin prüft weitere Unterstützungsmöglichkeiten. Doch die Zeit drängt. Für die Berliner Gesundheitslandschaft wäre das Verschwinden dieser Institution mit ihrer bewegten Geschichte ein schmerzlicher Verlust. Was bleibt, ist die Frage: Wie viele Traditionskrankenhäuser müssen noch schließen, bevor sich grundlegend etwas ändert?