Die Wogen um die NDR-Moderatorin Julia Ruhs schlagen hoch. Nach einem kritischen Tweet über AfD-Wähler wurde die Journalistin von ihrer Moderationsrolle bei «Schleswig-Holstein 18:00» abgezogen. Der NDR begründet dies mit einer «Verletzung journalistischer Neutralitätspflichten».
Ruhs hatte nach den Wahlerfolgen der AfD geschrieben: «Ich sag’s mal so: Wenn ihr AfD wählt, wählt ihr Nazis. Punkt.» Ein Satz, der polarisiert – und massive Reaktionen auslöste.
Was an diesem Fall besonders nachdenklich stimmt: Die schnelle Reaktion des Senders wirft Fragen zur Pressefreiheit auf. In meinen fast zwanzig Jahren als Journalistin habe ich beobachtet, wie die Grenzen dessen, was öffentlich gesagt werden darf, immer enger gezogen werden – besonders wenn es um rechtspopulistische Parteien geht.
«Die Rundfunkanstalten befinden sich in einem Dilemma,» erklärt Medienrechtler Professor Thomas Hoeren von der Universität Münster. «Einerseits müssen sie Neutralität wahren, andererseits haben auch ihre Mitarbeiter ein Recht auf freie Meinungsäußerung.»
Bemerkenswert ist die Doppelmoral: Während manche Äußerungen sofort Konsequenzen nach sich ziehen, werden andere toleriert. Als Journalistin aus Hamburg beobachte ich seit Jahren, wie unterschiedlich mit kritischen Äußerungen umgegangen wird – je nachdem, gegen wen sie sich richten.
Die Debatte zeigt ein gesellschaftliches Problem: Wir fordern Meinungsfreiheit, sind aber oft nicht bereit, andere Meinungen auszuhalten. Das gilt für alle politischen Lager. In Redaktionskonferenzen in Baden-Württemberg habe ich erlebt, wie schwer es manchmal ist, kontroverse Themen ausgewogen zu diskutieren.
Die Frage bleibt: Müssen wir als Gesellschaft nicht lernen, mehr Widerspruch auszuhalten? Demokratie lebt vom Streit der Meinungen – auch von unbequemen. Vielleicht sollten wir weniger schnell nach Konsequenzen rufen und stattdessen öfter in den Dialog treten.