Die Straßen rund um den Berliner Karneval der Kulturen werden für Anwohner zur Geduldsprobe. Seit Freitag sind große Teile des Graefekiezes in Kreuzberg abgesperrt, erst am Dienstag sollen die Barrieren verschwinden. Eine Situation, die viele Anwohner frustriert zurücklässt. «Das ist praktisch Zwangsurlaub für alle, die nicht mitfeiern wollen», sagt Sabine Winter, die seit 15 Jahren in der Graefestraße wohnt.
Die Sperrungen betreffen diesmal ein besonders großes Gebiet. Vom Hermannplatz bis zur Hasenheide, vom Südstern bis zur Urbanstraße – überall Absperrgitter und Sicherheitspersonal. Wer sein Auto bewegen will, hat Pech gehabt. Laut Veranstalter sind die Maßnahmen aus Sicherheitsgründen alternativlos. «Nach den Terroranschlägen der letzten Jahre müssen wir jeden Bereich schützen, in dem sich große Menschenmengen aufhalten», erklärt Festivalleiter Thomas Schmidt.
Für die rund 200.000 erwarteten Besucher ist das bunte Treiben ein Highlight. Für Anwohner wie Klaus Becker hingegen eine Belastung: «Ich arbeite im Schichtdienst und komme nachts kaum nach Hause.» Eine Ausnahmegenehmigung für Anwohner gibt es nicht. Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hatte bereits im Januar über alternative Konzepte diskutiert, jedoch keine Einigung erzielt.
Dabei ist der Karneval für viele Berliner mehr als nur eine Party. «Er zeigt die kulturelle Vielfalt unserer Stadt und schafft Begegnungen», sagt Kultursenator Joe Chialo bei der Eröffnung. Eine Sicht, die ich nach vielen Jahren Berichterstattung teile: Wo sonst sieht man Berliner aller Herkünfte so friedlich zusammen feiern?
Am Ende bleibt die Frage: Wie viel Einschränkung ist ein Fest wert? Der Karneval der Kulturen wird Berlin auch in Zukunft herausfordern – Anwohner, Veranstalter und Politik müssen einen besseren Kompromiss finden. Die Vielfalt feiern, ohne das Alltägliche unmöglich zu machen.