Die Wohnungssituation für geflüchtete Familien in Berlin erreicht einen kritischen Punkt. Nach monatelangen Berichten über katastrophale Zustände in Notunterkünften kündigt der Senat nun konkrete Maßnahmen an. Besonders alarmierend: Über 10.000 Kinder leben derzeit in provisorischen Unterkünften, viele davon bereits seit mehr als zwei Jahren. Eine aktuelle Erhebung der Senatsverwaltung zeigt, dass jedes dritte Kind in diesen Einrichtungen psychische Auffälligkeiten entwickelt hat.
«Die Container sind im Sommer unerträglich heiß und im Winter eiskalt», berichtet Fatima S., die mit ihren drei Kindern seit 18 Monaten in einer Notunterkunft in Marzahn lebt. Der fehlende Rückzugsraum und die beengten Verhältnisse führen zu erheblichen Problemen bei der schulischen Entwicklung. «Meine Tochter kann sich nicht konzentrieren, ihre Noten werden immer schlechter», erzählt die 34-Jährige.
Sozialsenatorin Katja Klein kündigte gestern ein Sofortprogramm an: «Wir werden 500 zusätzliche Wohnungen für Familien mit Kindern bereitstellen und die Betreuungsschlüssel in den Unterkünften verbessern.» Zusätzlich sollen mobile Lernräume eingerichtet werden.
Bei meinem Besuch in einer der Unterkünfte in Lichtenberg fiel mir besonders der Kontrast zwischen der äußerlichen Ordnung und der spürbaren inneren Not der Bewohner auf. Ein achtjähriger Junge zeigte mir stolz seine Schulhefte, die er unter dem Bett versteckt, «damit mein kleiner Bruder sie nicht kaputt macht».
Besonders prekär ist die Situation für Jugendliche. «Wir haben keinen Platz, um uns zurückzuziehen oder Freunde einzuladen», erklärt der 15-jährige Ahmad. Eine Studie der Charité belegt: Die betroffenen Kinder zeigen doppelt so häufig Entwicklungsverzögerungen wie Gleichaltrige in stabilen Wohnverhältnissen.
Der angekündigte Maßnahmenkatalog ist ein erster Schritt. Doch ohne grundlegende Änderungen in der Wohnungspolitik werden tausende Kinder weiterhin unter Bedingungen aufwachsen, die ihre Zukunftschancen massiv einschränken. Die Frage bleibt: Können wir es uns leisten, eine ganze Generation in prekären Verhältnissen aufwachsen zu lassen?