Während morgens die Sonne über Hamburg aufgeht, blickt Sandra Meier nervös auf ihr Handy. «Bitte keine Absage heute», flüstert die 34-jährige Mutter. Wie Tausende Eltern in Deutschland lebt sie in ständiger Anspannung. Ihre Kita schließt immer wieder spontan wegen Personalmangels. Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Kita-Verbands fehlen bundesweit über 100.000 Erzieherinnen und Erzieher – mit dramatischen Folgen für Familien.
«An manchen Tagen weiß ich erst um 7 Uhr, ob mein Kind betreut wird oder nicht», berichtet Sandra. «Mein Chef zeigt Verständnis, aber wie lange noch?» Die Realität vieler Familien ist ein täglicher Balanceakt zwischen Beruf und Kinderbetreuung. Der Fachkräftemangel hat sich seit der Pandemie drastisch verschärft. In Baden-Württemberg mussten allein im vergangenen Jahr 23 Kitas komplett schließen.
Erzieherin Maria Schulz aus München kennt beide Seiten: «Wir arbeiten am Limit. Vier Kollegen betreuen oft 45 Kinder – pädagogisch wertvoll ist das nicht mehr.» Die Politik habe jahrelang weggeschaut, kritisiert sie. Der Beruf sei unterbezahlt und die Arbeitsbelastung enorm.
Für Familien bedeutet die Krise oft erhebliche finanzielle Einbußen. «Ich musste meine Arbeitszeit reduzieren», erklärt Thomas Weber, Vater von zwei Kindern. «Das kostet uns monatlich 800 Euro.» Besonders alleinerziehende Eltern stehen vor nahezu unlösbaren Herausforderungen.
In meinen fast zwanzig Jahren als Journalistin habe ich selten eine gesellschaftliche Krise erlebt, die so viele Familien direkt betrifft. In Gesprächen höre ich immer wieder: «Wir fühlen uns alleingelassen.»
Experten fordern nun ein Sofortprogramm zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung. Die Bundesregierung hat Maßnahmen angekündigt, doch die Umsetzung stockt. Bis dahin improvisieren Eltern weiter – zwischen Homeoffice, Großeltern und Solidaritätsnetzwerken.
Die Kita-Krise zeigt wie unter einem Brennglas: Wenn es um Kinder und Familien geht, klaffen in Deutschland Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Wie wollen wir als Gesellschaft mit unserer wichtigsten Ressource – den Kindern – umgehen?