Die Debatte ums Kopftuch an Berliner Schulen steht vor einem historischen Wendepunkt. Nach 18 Jahren bereitet der schwarz-rote Senat eine Änderung des Neutralitätsgesetzes vor, die muslimischen Lehrerinnen das Tragen religiöser Kopfbedeckungen erlauben soll. Bislang untersagt das Gesetz Lehrkräften und Beamten in vielen Bereichen sichtbare religiöse Symbole. Nach aktueller Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey lehnen jedoch 54 Prozent der Berliner die geplante Änderung ab.
An einem regnerischen Dienstag stehen zwei Schülerinnen vor einer Kreuzberger Grundschule. «Warum darf unsere Religionslehrerin kein Kopftuch tragen, während wir es können?», fragt die 13-jährige Amira. Eine berechtigte Frage, denn das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2015 ein pauschales Kopftuchverbot für verfassungswidrig erklärt. Trotzdem hielt Berlin an seinem strengen Neutralitätsgesetz fest.
«Die aktuelle Rechtslage ist nicht mehr haltbar», erklärt Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Die Stadt habe zahlreiche Prozesse verloren und müsse handeln. Auch der Wissenschaftliche Parlamentsdienst des Abgeordnetenhauses kam zu diesem Schluss.
Für Bildungsexperte Thomas Weber von der Humboldt-Universität ist die Änderung überfällig: «Wir können es uns nicht leisten, qualifizierte Lehrkräfte wegen ihres Glaubens auszuschließen. Das widerspricht dem Grundgesetz und der Lebenswirklichkeit in unserer Stadt.»
Bei meinen Besuchen in Berliner Schulen höre ich immer wieder, wie schwierig es ist, den Spagat zwischen religiöser Neutralität und Religionsfreiheit zu schaffen. Eine Schulleiterin in Neukölln vertraute mir an: «Wir brauchen klare Regeln, die sowohl die Neutralität des Staates als auch die individuellen Grundrechte achten.»
Die kommende Gesetzesänderung wird Berlin verändern. Während einige darin einen längst überfälligen Schritt zur Gleichbehandlung sehen, fürchten andere eine zunehmende Religiosität im Schulalltag. Was bleibt, ist die Frage: Wie neutral muss ein Staat sein, der die Religionsfreiheit schützt? Eine Antwort, die Berlin nun neu definieren muss.