In Düsseldorf sorgt seit Tagen ein ungewöhnliches Kunstprojekt für Aufsehen: Der Uhrenturm an der Grafenberger Allee ist mit rund 500 bunten Notizzetteln beklebt. Passanten bleiben stehen, fotografieren und rätseln über die Bedeutung. Die Zettel tragen handschriftliche Botschaften wie «Was ist wichtiger als die Zeit?» oder «Wann bist du glücklich?». Ein anonymes Künstlerkollektiv hat die Installation vergangenen Freitag ohne offizielle Genehmigung angebracht.
«Es geht um den Dialog mit dem öffentlichen Raum«, erklärt eine Person aus dem Kollektiv, die anonym bleiben möchte. Die Künstlergruppe will zum Nachdenken über Zeitempfinden und Alltagshektik anregen. Passantin Monika Lehmann (62) bleibt beeindruckt stehen: «Diese kleinen Zettel bringen mich mehr zum Nachdenken als manches Kunstwerk im Museum.»
Das Ordnungsamt der Stadt steht vor einem Dilemma. «Formal handelt es sich um eine nicht genehmigte Installation im öffentlichen Raum», erklärt Stadtsprecher Michael Zimmermann. Dennoch wolle man zunächst keine Entfernung veranlassen. «Die Reaktionen der Düsseldorfer sind überwiegend positiv.»
Als ich gestern am Uhrenturm vorbeikam, beobachtete ich eine Schulklasse, die eifrig die Botschaften diskutierte. Ihr Lehrer nutzte die Installation spontan für eine Unterrichtsstunde über Kunst im öffentlichen Raum – genau die Art von Interaktion, die sich Künstler wünschen.
Die Stadtverwaltung prüft nun, ob die Installation nachträglich genehmigt werden kann. Die Kulturdezernentin signalisierte bereits Wohlwollen. Die ungewöhnliche Zeitreflexion wird wohl noch einige Wochen zu sehen sein und reiht sich ein in Düsseldorfs lange Tradition unkonventioneller Kunst. Was bleibt, ist die Frage: Wann nehmen wir uns eigentlich Zeit, über die Zeit nachzudenken?