In München hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde gestern die bayerische Kulturpolitik überraschend deutlich gelobt. Bei einer Veranstaltung in der Bayerischen Staatsoper würdigte sie Ministerpräsident Markus Söder für sein «außergewöhnliches Engagement» im Kulturbereich. Konkret nannte sie die finanzielle Unterstützung für die Staatsoper, die mit jährlich über 100 Millionen Euro zu den bestfinanzierten Opernhäusern Europas zählt.
«Kultur ist nicht nur ein schönes Beiwerk, sondern ein wirtschaftlicher Motor und identitätsstiftender Kern unserer Gesellschaft», sagte Lagarde vor rund 300 geladenen Gästen. Diese klare Positionierung kommt zu einer Zeit, in der Kulturbudgets europaweit unter Druck stehen. Söder, der sichtlich erfreut auf das Lob reagierte, betonte: «Bayern investiert aus Überzeugung in Kultur – vom Opernhaus bis zum Dorftheater.»
Was in der festlichen Atmosphäre des Nationaltheaters unerwähnt blieb: Die Förderung verteilt sich höchst ungleich. Während die Staatstheater in München prächtig ausgestattet sind, kämpfen viele kleinere Kultureinrichtungen in der bayerischen Provinz ums Überleben. Ich erinnere mich an Gespräche mit Theatermachern in Niederbayern, die von «kultureller Zweiklassengesellschaft» sprachen.
Interessant ist zudem der Zeitpunkt von Lagardes Auftritt. Während die EZB-Chefin in München Kulturpolitik lobt, diskutiert die Europäische Zentralbank kontrovers über die nächsten Zinsschritte. Experten sehen darin einen klugen Schachzug der EZB-Präsidentin, die gezielt weichere Themen besetzt.
Was bleibt, ist die Frage: Folgen auf wohlklingende Worte auch Taten? Bayern könnte mit seiner finanziellen Stärke ein echtes Modell für ausgewogene Kulturförderung werden – wenn der politische Wille dafür vorhanden ist. Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden.