Die Aufklärung zum versuchten Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt nimmt im Prozess nun konkretere Formen an. Der technische Gutachter legte gestern am Landgericht Halle seine Erkenntnisse vor, die das Ausmaß der geplanten Tat verdeutlichen. Der 17-jährige Angeklagte soll im Dezember 2023 einen Sprengstoffanschlag vorbereitet haben, bei dem potenziell Dutzende Menschen hätten sterben können.
Der Unfallexperte bestätigte in seiner Analyse, dass die gefundenen Chemikalien im Kinderzimmer des Jugendlichen ausreichend gewesen wären, um einen verheerenden Sprengsatz herzustellen. «Mit diesen Mengen hätte ein Umkreis von etwa 25 Metern vollständig verwüstet werden können», erklärte der Sachverständige vor Gericht. Besonders brisant: Der Angeklagte hatte offenbar konkrete Vorstellungen vom Tatort. In seinem Zimmer fand man handgezeichnete Skizzen des Weihnachtsmarktes mit markierten «Hochfrequenzbereichen».
Die Ermittlungen zeigen auch die digitalen Spuren des Jugendlichen. Auf seinem Computer fanden sich Anleitungen zum Bombenbau und Propagandamaterial terroristischer Organisationen. Der Schulleiter des Gymnasiums, das der Angeklagte besuchte, zeigte sich erschüttert: «Wir haben keine Anzeichen für eine Radikalisierung bemerkt. Er war ein unauffälliger Schüler.»
In meinen fast zwanzig Jahren als Journalistin habe ich selten einen Fall erlebt, bei dem die Diskrepanz zwischen äußerem Erscheinungsbild und innerem Gedankengut so groß war. Die Eltern des Jugendlichen schweigen bisher zu den Vorwürfen, wirken im Gerichtssaal wie erstarrt.
Was diesen Fall so beunruhigend macht, ist die scheinbare Normalität im Umfeld des Angeklagten. Der Prozess wird die Gesellschaft mit unbequemen Fragen konfrontieren: Wie können wir Radikalisierung frühzeitig erkennen? Und reichen unsere Präventionsmaßnahmen wirklich aus? Die Verhandlung wird voraussichtlich bis Oktober fortgesetzt.