Inmitten der Berliner Philharmonie versammelten sich heute Abend Menschen unterschiedlichster Generationen, um Margot Friedländer zu ehren. Die 102-jährige Holocaust-Überlebende wurde für ihr unermüdliches Engagement gegen das Vergessen gewürdigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte die Auszeichnung und betonte in seiner Rede die besondere Bedeutung von Zeitzeugen für unsere Gesellschaft.
Als ich durch die Reihen ging, bemerkte ich die ergriffenen Gesichter junger Menschen, die Friedländers Geschichte erstmals hörten. Nach ihrer Flucht und dem Verlust ihrer Familie im Holocaust kehrte sie erst mit 88 Jahren nach Deutschland zurück – mit einer klaren Mission: Erinnerung wachhalten.
«Seid Menschen, ihr allein könnt es tun«, zitierte Steinmeier Friedländers berühmtesten Appell. Diese Worte haben heute besondere Dringlichkeit, da antisemitische Vorfälle wieder zunehmen. Laut Berliner Polizei stieg die Zahl entsprechender Straftaten im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent.
Die Geehrte selbst sprach mit klarer Stimme und erstaunlicher Präsenz: «Ich bin eine von wenigen, die noch erzählen können. Darum tue ich es, solange ich noch die Kraft habe.» Die Stille im Saal war greifbar.
Als Reporterin, die viele Veranstaltungen gegen Antisemitismus begleitet hat, traf mich besonders ein Moment: Als eine Schülerin Friedländer fragte, ob sie Deutschland verzeihen könne, antwortete sie: «Ich bin zurückgekommen, um euch die Hand zu reichen.«
Im Publikum saßen auch ehemalige Schüler, die durch Friedländers Zeitzeugengespräche geprägt wurden. Ihre Botschaft wirkt nachhaltig – gerade in Zeiten, in denen die letzten Überlebenden des Holocaust verstummen. Wird unsere Gesellschaft diese Erinnerung auch ohne sie bewahren können?
Mehr zur Biografie Margot Friedländers beim Jüdischen Museum Berlin.