Der Plenarsaal des Deutschen Bundestags füllte sich gestern mit über tausend Menschen, um Abschied von Margot Friedländer zu nehmen. Die Holocaust-Überlebende verstarb am 29. Mai im Alter von 102 Jahren in Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte sie als «außergewöhnliche Frau», deren Lebensgeschichte und Vermächtnis Deutschland verpflichte.
Friedländer überlebte als einzige ihrer Familie die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden in Auschwitz ermordet. Ihre letzten Worte an Margot: «Versuche zu leben». Ein Satz, der zum Leitmotiv ihres bemerkenswerten Lebens wurde. Nach der Befreiung emigrierte sie in die USA, kehrte aber 2010 nach Berlin zurück – mit über 88 Jahren.
Während der Gedenkfeier erinnerte Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, an ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit: «Sie begegnete Tausenden junger Menschen in Schulen, immer mit derselben klaren Botschaft: ‹Seid Menschen, respektiert einander›.» Ein Appell, der heute aktueller scheint denn je.
Als ich Margot Friedländer vor drei Jahren für ein Interview traf, beeindruckte mich ihre Energie und Klarheit. Trotz ihres hohen Alters sprach sie ohne Verbitterung, aber mit der Dringlichkeit einer Zeitzeugin, die wusste, dass ihre Generation bald verstummen würde.
Der Pianist Igor Levit spielte zum Abschluss der Gedenkfeier Bach – ein bewegender Moment der Stille. Steinmeier mahnte in seiner Rede: «Ihr Vermächtnis zu bewahren bedeutet, das Erinnern wachzuhalten und gegen jede Form von Antisemitismus einzustehen.» Eine Verpflichtung, die angesichts steigender antisemitischer Vorfälle in Deutschland besonderes Gewicht erhält.