Der Bundespräsident und rund 700 Gäste haben gestern in Berlin von der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer Abschied genommen. Im Berliner Ensemble, wo einst Bertolt Brecht wirkte, würdigte Frank-Walter Steinmeier die im Mai mit 102 Jahren verstorbene Zeitzeugin als «Mahnerin gegen das Vergessen». Ihr Vermächtnis wiege schwer: «Seid Menschen!»
Als ich den vollbesetzten Theatersaal betrat, spürte ich sofort die besondere Atmosphäre. Menschen aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft waren gekommen, um einer Frau zu gedenken, die nach Jahrzehnten im New Yorker Exil 2010 nach Berlin zurückgekehrt war, in die Stadt, aus der sie die Nationalsozialisten vertrieben hatten.
«Margot Friedländer hat uns die Hand gereicht zur Versöhnung», sagte Steinmeier in seiner bewegenden Rede. «Jetzt ist es an uns, ihr Vermächtnis weiterzutragen.» Die Verantwortung gehe auf kommende Generationen über. Besonders in Zeiten zunehmenden Antisemitismus sei ihre Stimme schmerzlich vermisst.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner betonte: «Wir haben eine Verpflichtung, ihre Geschichte weiterzuerzählen.» Friedländer hatte nach ihrer Rückkehr nach Deutschland unermüdlich vor Schulklassen über ihre Erfahrungen gesprochen.
Fast 40 Jahre hatte sie geschwiegen. Ihr Bruder Ralph und ihre Mutter wurden in Auschwitz ermordet, sie selbst überlebte Theresienstadt. Die letzten Worte ihrer Mutter, überbracht durch einen Boten, prägten ihr Leben: «Versuche, dein Leben zu machen.»
Diese Worte trug Friedländer wie ein Vermächtnis. Nach Deutschland zurückzukehren war keine Selbstverständlichkeit. Umso wichtiger, dass wir heute ihre Erinnerung bewahren. Denn wie sie selbst oft sagte: «Erinnern ist das Geheimnis der Erlösung.»