Die Narbe, die Berlin durchschneidet, ist heute unsichtbar geworden – und doch bleibt sie präsent. 64 Jahre nach dem Mauerbau gedachten heute Politiker und Zeitzeugen an der Bernauer Straße jener Augustnacht 1961, die Familien trennte und 28 Jahre lang den Eisernen Vorhang durch die Stadt zog. 140 Menschen verloren an der Berliner Mauer ihr Leben beim Versuch, in den Westen zu fliehen.
«Der Mauerbau war eine Bankrotterklärung der DDR-Führung», sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner bei der Gedenkveranstaltung. «Man sperrte die eigene Bevölkerung ein, weil man anders den Staat nicht mehr zusammenhalten konnte.» Die Erinnerung an dieses Unrecht müsse wachgehalten werden – gerade in Zeiten, in denen demokratische Werte wieder unter Druck stehen.
Besonders bewegend waren die Worte von Zeitzeugin Marie Hoffmann, die damals als 19-Jährige plötzlich von ihrem Verlobten im Westteil getrennt wurde: «Wir dachten, es sei nur vorübergehend. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Trennung fast drei Jahrzehnte dauern würde.» Erst 1989 sah sie ihn wieder.
An der Gedenkstätte legten Angehörige weiße Rosen für die Maueropfer nieder. Ich beobachtete einen älteren Herrn, der still vor der Gedenktafel stand – wahrscheinlich mit eigenen Erinnerungen an jene Zeit. Als ich ihn später ansprach, erzählte er mir, wie er 1985 über Ungarn geflohen war.
Der Blick auf die ehemalige Todeszone, heute ein belebter Erinnerungsort mit Touristen aus aller Welt, macht die historische Distanz spürbar. Und doch mahnt die Geschichte der Mauer, wie fragil Freiheit sein kann – und wie wertvoll. «Diese Lehre müssen wir weitertragen», betonte Kulturstaatsministerin Claudia Roth, «besonders an junge Menschen, die in einem vereinten Deutschland aufgewachsen sind.»