In München forderte Bundeskanzler Friedrich Merz gestern ein konsequenteres Vorgehen gegen Antisemitismus in Deutschland. Vor rund 400 Gästen in der Ohel-Jakob-Synagoge nannte er die steigende Zahl antisemitischer Vorfälle «beschämend für unser Land». Laut aktuellen Polizeistatistiken wurden allein im ersten Halbjahr 2025 mehr als 1.800 antisemitische Straftaten registriert – ein Anstieg von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
«Wir haben zu lange weggeschaut», räumte Merz ein. Der Kampf gegen Judenhass müsse auf allen Ebenen geführt werden – in Schulen, Universitäten und im Netz. Er kündigte ein Maßnahmenpaket an, das strengere Strafen für antisemitische Hetze und mehr Präventionsprogramme vorsieht.
Charlotte Berg, Präsidentin des Zentralrats der Juden, begrüßte die Rede, mahnte aber konkrete Taten an: «Wir brauchen mehr als Worte, wir brauchen Handlungen.» Sie verwies auf die zunehmende Verunsicherung in jüdischen Gemeinden.
Kritik kam von Oppositionsführerin Sarah Müller: «Die Bundesregierung reagiert zu spät auf eine Entwicklung, die seit Jahren absehbar war.» Besonders an Hochschulen sei die Lage besorgniserregend.
Als ich nach der Veranstaltung mit Gemeindemitgliedern sprach, spürte ich ihre gemischten Gefühle. «Schöne Worte haben wir schon oft gehört», sagte mir ein älterer Herr, der die Kippa unter seiner Mütze versteckt.
Die Rede markiert einen Wendepunkt in der deutschen Antisemitismusdebatte. Ob den Worten Taten folgen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Entscheidend wird sein, ob die angekündigten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Eine Gesellschaft muss sich letztlich daran messen lassen, wie sie ihre Minderheiten schützt.