Der gestrige Tag im Bundestag markierte einen ungewöhnlichen Moment: Friedrich Merz, Oppositionsführer und nicht Kanzler, gab eine Regierungserklärung zu Ostdeutschland ab. Diese unkonventionelle Situation spiegelt die aktuelle politische Dynamik wider. Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen die AfD stark abschnitt und die Ampel-Koalition abgestraft wurde, sieht sich Merz bereits als künftiger Regierungschef.
Als ich gestern im Plenum saß, war die Stimmung spürbar angespannt. Merz sprach von einer «nationalen Kraftanstrengung» für den Osten und stellte den Ampel-Parteien ein vernichtendes Zeugnis aus. Dabei schwang er sich zum Sprachrohr der ostdeutschen Länder auf. «Die Menschen im Osten fühlen sich nicht gehört und nicht verstanden», erklärte der CDU-Chef. Bemerkenswert war seine Selbstsicherheit – er skizzierte bereits, was er als Kanzler anders machen würde.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck konterte: «Eine Regierungserklärung von jemandem, der nicht regiert, ist kein guter Auftakt für eine ehrliche Debatte.» Aus meiner langjährigen Beobachtung der Wirtschaftspolitik kann ich sagen: Der Osten braucht weniger Symbolpolitik und mehr konkrete Maßnahmen.
Der CDU-Chef kündigte ein Sofortprogramm für Ostdeutschland an, blieb aber vage bei der Finanzierung. Professor Marcel Fratzscher vom DIW Berlin sagte mir dazu: «Große Ankündigungen ohne solide Gegenfinanzierung verschärfen das Vertrauensproblem, das viele Menschen gegenüber der Politik haben.»
Was bleibt, ist der Eindruck eines Schaulaufens vor den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg. Die ostdeutschen Bundesländer brauchen jedoch keine politischen Inszenierungen, sondern tragfähige Konzepte für strukturschwache Regionen, demografischen Wandel und gleichwertige Lebensverhältnisse. Die Wahlerfolge der AfD sollten allen demokratischen Parteien Warnung genug sein: Jetzt müssen Taten folgen, nicht nur Worte.