In Aachen sorgt eine Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz für Empörung. Bei der Regierungsbefragung im Bundestag hatte der Kanzler gestern auf Friedrich Merz› Kritik zur Migrationspolitik entgegnet: «Ich war neulich in Aachen, da ist ein Zirkuszelt aufgebaut worden für 200 Personen.» Damit wollte er offenbar die Dimensionen der Migrationsdebatte relativieren.
Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen reagierte umgehend: «Wir fühlen uns vom Bundeskanzler nicht ernst genommen.» Die Stadt kämpfe seit Monaten mit der Unterbringung von Geflüchteten und habe tatsächlich ein Zelt für 200 Menschen errichtet – jedoch keine Zirkusveranstaltung, sondern aus purer Not.
Vor Ort erlebe ich bei meinen Besuchen in Aachen eine Stadt am Limit ihrer Aufnahmekapazitäten. Die CDU-Fraktion im Stadtrat bezeichnet Scholz› Wortwahl als «zynisch und realitätsfern». Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Servos versucht zu beschwichtigen: «Der Kanzler wollte nicht unsere Probleme kleinreden, sondern die Dimensionen im Vergleich zu 2015 einordnen.»
Fakt ist: Aachen hat seit 2022 über 6.800 Geflüchtete aufgenommen und kämpft mit Wohnraummangel, Personalnot und hohen Kosten. Die Stadt fordert mehr Unterstützung vom Bund. Die Verwaltung bestätigt, dass das angesprochene Zelt tatsächlich errichtet wurde, weil alle anderen Unterbringungsmöglichkeiten erschöpft sind.
Ob der Kanzler bei seinem nächsten Aachen-Besuch freundlich empfangen wird? Fraglich. In der Grenzstadt scheint jedenfalls das Gefühl zu wachsen, dass Berlin die Herausforderungen vor Ort nicht versteht. Die Wortwahl des Kanzlers könnte noch lange nachhallen – weit über das Zirkuszelt hinaus.