In Berlin nimmt die Messergewalt unter Kindern dramatische Ausmaße an. Das Berliner Kinderhilfswerk «Die Arche» schlägt Alarm: Bereits Elfjährige tragen dort Messer bei sich. Bernd Siggelkow, Gründer der Arche, berichtet von einer erschreckenden Zunahme der Gewaltbereitschaft. Nach seinen Beobachtungen hat sich die Situation in den letzten zwei Jahren erheblich verschärft.
«Wir haben neulich ein Messer bei einem elfjährigen Kind gefunden», erzählt Siggelkow. «Als wir fragten, warum er das dabei hat, sagte er ganz selbstverständlich: ‹Zur Verteidigung, falls mir jemand dumm kommt›.» Die Mitarbeiter der Arche stoßen regelmäßig auf versteckte Messer bei Kindern und Jugendlichen, die ihre Einrichtungen besuchen.
Besonders beunruhigend: Die Hemmschwelle sinkt. Was früher als Tabu galt, gehört heute in manchen Kiezen zum Alltag. In Neukölln und Wedding ist das Problem besonders ausgeprägt. Laut Berliner Polizeistatistik wurden 2023 über 3.000 Messervorfälle registriert – eine Steigerung von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Ursachen sind vielschichtig. «Viele Kinder wachsen in einem Umfeld auf, in dem Gewalt als Konfliktlösung akzeptiert wird», erklärt die Sozialpädagogin Maren Kolshorn. «Hinzu kommen fehlende Vorbilder und der Einfluss sozialer Medien, wo Gewaltvideos leicht zugänglich sind.»
Als ich vergangene Woche die Arche in Hellersdorf besuchte, erzählte mir ein 13-jähriger Junge mit gesenktem Blick: «Ohne Messer gehst du hier nicht raus. Alle haben eins.» Diese Normalität des Bedrohlichen erschüttert mich nach zwei Jahrzehnten Berichterstattung noch immer.
Die Arche fordert mehr Präventionsprogramme an Schulen und niedrigschwellige Hilfsangebote. «Wir müssen früher ansetzen», betont Siggelkow. Experten plädieren für ein Zusammenspiel aus konsequenter Durchsetzung des Waffenverbots und pädagogischen Maßnahmen.
Die Frage bleibt: Wie können wir unseren Kindern vermitteln, dass ein Messer kein Statussymbol, sondern eine tödliche Gefahr ist? Berlin steht vor einer gesellschaftlichen Aufgabe, die weit über polizeiliche Maßnahmen hinausgeht.