Die Nacht, als Heinz-Dieter B. seine letzte Ruhe fand, wusste kaum jemand im Haus Bescheid. Der 71-jährige Mieter lebte zurückgezogen in seiner kleinen Wohnung im Essener Nordviertel. Erst Wochen später, als Nachbarn den unangenehmen Geruch nicht mehr ignorieren konnten, wurde sein Körper entdeckt. Was die Einsatzkräfte in der Wohnung vorfanden, überraschte selbst erfahrene Beamte: ein extremer Fall von Messie-Syndrom.
Von Boden bis Decke türmten sich Zeitungen, Kartons und Alltagsgegenstände. «In manchen Räumen konnte man sich nur auf schmalen Pfaden bewegen», berichtet Polizeihauptkommissar Thomas Weber. «Der Verstorbene hatte buchstäblich jeden Zentimeter seiner Wohnung mit Gegenständen gefüllt.» Über 50 Kubikmeter Müll mussten später entsorgt werden.
Das Phänomen «Messie-Wohnung» ist in Essen kein Einzelfall. Das Gesundheitsamt verzeichnet jährlich etwa 30 solcher Fälle. «Meist handelt es sich um ältere, alleinstehende Menschen», erklärt Sozialarbeiterin Marion Lenzen. «Die Vermüllung ist oft Ausdruck einer psychischen Erkrankung oder schwerer Einsamkeit.»
Bei Heinz-Dieter B. fanden sich zwischen den Bergen von Zeitungen auch persönliche Dokumente: Fotos einer Familie, Briefe, die nie abgeschickt wurden. «Man sieht das menschliche Schicksal dahinter», sagt Lenzen. «Diese Menschen verlieren oft den Kontakt zur Außenwelt, schämen sich für ihre Situation.»
Nach einem Todesfall fällt die Wohnungsräumung meist dem Vermieter zu. Ein kostspieliges Unterfangen, das bei Heinz-Dieter B. über 8.000 Euro verschlang. Spezialfirmen mit Schutzkleidung und Atemmasken müssen ran. Der Nachlass wandert größtenteils in den Müll.
Was bleibt, sind Fragen: Hätte man früher helfen können? Die Nachbarn im Haus sind betroffen, aber auch erleichtert. «Es war nicht einfach mit ihm», sagt eine ältere Dame aus dem ersten Stock. «Aber so sollte niemand enden.»
Hilfsangebote in Essen gibt es durchaus. Doch sie erreichen oft nicht diejenigen, die sie am dringendsten bräuchten. Menschen wie Heinz-Dieter B. fallen durch die Maschen unserer Gesellschaft – bis es zu spät ist.